Zum Leben verurteilt

Monika Hoffmann rettet sieben literarische Suizidantinnen

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Von Rolf Löchel

Schriftsteller lieben tote, schöne Frauen. Zumindest in ihren Werken. Das weiß man nicht erst seit Elisabeth Bronfen. Monika Hoffmann ist nun angetreten, einige von ihnen zu retten: Emma Bovary, Thérèse Raquin, Fräulein Julie, Hedda Gabler und drei weitere um 1900 zu beklagende literarische Todesfälle. Allesamt Suizidantinnen, von ihren Schöpfern in den Tod getrieben.

Aber, so meint die Autorin, Frauen bringen sich nicht so ohne weiteres um. Das sei eher Sache der Männer. Im wirklichen Leben als Suizidanten - und als frauenmordende Autoren ihrer literarischen Geschöpfe. Hoffmann aber will die Figuren, offenbar weil sie weiblich sind, besser verstehen als ihre Erfinder, denen sie vorwirft, dass sie "ihren Heldinnen ihre eigene, männliche Sicht mit auf den Weg gaben".

Ob dem so ist, mag dahingestellt sein, jedenfalls fällt der Vorwurf auf Hoffmann selbst zurück, imprägniert sie die Figuren in kurzen Ich-Erzählungen doch mit Gedanken, Wünschen und Hoffnungen, die sie selbst an deren Stelle gehegt hätte. Offenbar sieht die Autorin hierin die einzige Möglichkeit, sie vom Suizid abzuhalten. Doch gerade dass - fast - alle Protagonistinnen überleben, nimmt den Figuren ihre Eigenständigkeit und unterwirft sie einem fremden Willen, dem der Autorin. Nur Fräulein Else schluckt auch bei Hoffmann das Veronal. In der - vermutlich trügerischen - Hoffnung allerdings, von Paul gerettet zu werden.

Der flotte Ton, den die in die präsuizidalen Figuren geschlüpfte Autorin gelegentlich anschlägt, will nicht ganz zu den doch immerhin recht ernsten Entscheidungen über Leben und Sterben passen, mit denen die Ich-Erzählerinnen ringen, während sie "all die großen Themen" Revue passieren lassen, "mit denen ihre Schöpfer sie zum Tode führen". Madame Bovary etwa wurde von Hoffmann nicht die Stimme einer inzwischen doch schon etwas reiferen Frau verliehen, die sich Gedanken über den Suizid macht. Vielmehr plappert bei ihr ein junges Ding, das nicht immer die rechten Worte zu finden scheint, und ärgerlich darüber räsoniert, dass die Geburt ihrer Tochter ihr den gewünschten Sohn "vermasselt" habe, sodass ihre "Mutterfreuden" auf "kleine Anfälle" beschränkt blieben.

Auch banalisiert die Autorin mitunter die Schicksale ihrer tragischen Figuren. Liebe sei "hausgemacht, und zwar nach dem allereinfachsten Rezept", sinniert etwa Emma Bovary weiter und gelangt zu dem Schluss: "So schnell stirbt man nicht". Cécile von St. Arnauld erklärt sich zur "dummen Gans", die "[n]ur eins" weiß, "dass Gänse sich nicht umbringen", womit für sie klar ist: "Und ich tu's auch nicht." Thérèse Raquin wiederum bekommt eine - auch für diese Person - unpassende Obszönität in den Mund gelegt, die zudem vermutlich kaum zum Jargon des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehören dürfte: "Hätte er doch über mich drüber rutschen sollen."

Dass die eine oder andere der Miniaturen dennoch ihren Reiz hat, liegt an einigen wirklich originellen Einfällen der Autorin wie etwa dem Dialog zwischen Anna Karenina und dem vom Zug zerrissenen Bahnarbeiter.

Titelbild

Monika Hoffmann: Scheherazades Töchter. Acht Frauen reden um ihr Leben.
ebersbach & simon, Berlin 2004.
127 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-10: 3934703801

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