Blut, Alkohol, Sperma, Urin

Franzobels Trash für Abgehärtete

Von Helmut SturmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Helmut Sturm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Längst vor "Monk" hat Helmut Zenker mit Kottan ein skurril-schräges Ermittlerteam geschaffen. Zenkers Spiel mit den Ingredienzien des Kriminalromans wird bei jüngeren Vertretern des Genres mehrfach aufgegriffen. Suggeriert der Detektivroman ursprünglich, die Welt sei rational aufzudröseln, alle Fragen und Rätsel seien lösbar, so bleibt bei Autoren wie Georg Klein oder Christian Amanshauser davon kaum noch etwas übrig. Das gilt auch für Franzobels "Zirkusblut", dem ein beispielloses Austria absurda als Schauplatz dient.

Zwischen der Feststellung, dass die Geschichte in dem Bett geschrieben wurde, in dem angeblich "Österreichs sonorigster Altpräsident seine Hochzeitsnacht verbracht" hat und dem Dank an den Cirkus Louis Knie und das Bundeskanzleramt für Kunstangelegenheiten, entfaltet sich das, was der Untertitel verspricht - "Ein Austrian-Psycho-Trashkrimi".

Damit sind jene gewarnt, denen die Grenzen des "guten Geschmacks" etwas bedeuten. Kommissar Hörgas' Welt ist ein Chaos, "ein nach hinten losgegangener Urknall", seine Wohnung ein Biotop "derart grauenvoll, dass einmal sogar... die Polizei angerückt war. Der faulige Gestank, hatte man vermutet, könne nur von einer Leiche stammen." Sein Auto ist ein Leichenwagen, in dem an der für den Sarg bestimmten Stelle "bloß" fünf Bierkisten stehen. Seine Ausdrucksweise stellt sich als entsprechend ordinär heraus.

Es ist nach wenigen Zeilen klar: Normen von Kosmos, Welt oder auch nur Österreich gelten in diesem Krimi nicht. Wie schon beim ersten Mord, wo ein Frauenkopf in der Popkornmaschine gefunden wird, ist das Grausame drastisch überzeichnet. Dabei ergibt sich eine interessante Spannung aus der forcierten Hyperbolik Franzobels zu den kindlich-hübschen Illustrationen von Norbert Trummer. Die mit Rollerball und Buntstiften gezeichneten Bilder sind in Originalgröße reproduziert. Ihr Reiz speist sich aus der Buntheit und der überraschenden Wahl von Perspektive und Ausschnitt.

Zum Plot des Trashkrimis sollte man nicht viel anmerken, richtige Spannung sollte man nicht erwarten. Franzobels Text lebt von der Sprache und bezieht von daher auch einen gewissen Unterhaltungswert. Da gibt es ins Nihilistische gewendete Wortspiele in der Manier seines oberösterreichischen Landsmannes Alois Brandstetter, den Einsatz von Sozio- und Dialekt, Ausdrücke, die man schon Ewigkeiten nicht mehr gehört hat, und das alles ohne Rücksicht auf irgendeine (gute?) Kinderstube. Pervertierte Sexualität, Verbrechen und ein jeder Romantik entzogenes Zirkusmilieu liefern Franzobel die Folie für seine sprachlichen Brachialeskapaden. Vielleicht ist dieses Buch eine gute Medizin für Leute, die zu viel Mankelsche Krimi-Didaktik genossen haben.

Titelbild

Franzobel: Zirkusblut. Oder: Ein Austrian-Psycho-Trashkrimi, zweiter Teil.
Bibliothek der Provinz, Weitra 2004.
142 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3852525845

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