In "Arno Schmidt auf Fanø" holt Friedhelm Rathjen eine vom Autor selbst nie unternommene Reise nach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Arno Schmidts Roman "Die Schule der Atheisten" spielt größtenteils in Dithmarschen; zwischendurch freilich unternimmt das Personal einen Ausflug nach Sønderho auf der dänischen Insel Fanø. Schmidt selbst wollte im Oktober 1970 nach Fanø fahren, um vor Ort zu recherchieren, gab aber dann doch seiner Reiseunlust nach und recherchierte nur per Lektüre. Friedhelm Rathjen hat nun nicht nur Schmidts Quellen gelesen, sondern auch die von Schmidt versäumte Reise nachgeholt. Was er dabei herausgefunden hat, wie auch die Früchte seiner Lektüre präsentiert dieses Buch.

"Arno Schmidt auf Fanø" verfolgt vornehmlich drei Ziele, die den drei Hauptkapiteln des Buchs entsprechen. Zunächst soll die Insel vorgestellt werden, die Schmidt selbst leider nie sah; es zeigt sich, dass er einiges verpasst hat. Als zweites wird die Geschichte des Schmidt'schen Interesses an der Westküste Schleswig-Holsteins und Dänemarks rekonstruiert, so gut es auf der Grundlage des derzeit zugänglichen Materials möglich ist. Diese Geschichte beginnt in den 20er Jahren mit einem Familienausflug nach Cuxhaven, verknüpft sich dann mit historischen und literarischen Namen wie Pytheas von Massilia, Gustav Frenssen, Theodor Storm, leider auch mit Schmidts Erlebnissen im Krieg, profitiert von der Reisefreudigkeit des zeitweiligen Schmidt-Förderers Wilhelm Michels und endet damit, dass Schmidt eben nicht nach Fanø reist, sich aber Broschüren und Prospekte über die Insel kommen lässt und diese auswertet. Drittens gilt es, einen Durchgang durch die einschlägigen Passagen des Romans "Die Schule der Atheisten" zu unternehmen und dabei den Text einerseits mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort, andererseits mit dem, was Schmidt aus seinen Materialien von den örtlichen Gegebenheiten wusste, zu vergleichen. Dabei zeigt sich, dass es mancherlei Ungereimtheiten gibt, die nach Erklärungen verlangen. Im Zuge des Versuchs, solche Erklärungen zu liefern, klärt sich am Ende dann unverhofft auch noch, warum Arno Schmidt seine Atheisten ausgerechnet nach Fanø hat fahren lassen und nicht beispielsweise nach Hamburg (wo Schmidts eigenes 'Stammhaus' freilich nicht mehr stand), nach Helgoland (das sehr viel dramatischer gelegen ist), auf's dänische Festland oder auf eine beliebige andere Insel in der Deutschen Bucht. Beliebig ist Schmidts Inselwahl natürlich nicht, und natürlich hat sie mit Literatur zu tun.

Der Band enthält mehr als hundert, zumeist farbige Abbildungen und komplette Faksimiles der von Arno Schmidt bei seiner Arbeit benutzten Materialien, darunter Horst Meesenburgs 32-seitiges Heft "Fanø, Manø und Rømø", das Schmidts Hauptquelle für die topographischen Details der Insel war.

F. R.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter / innen der Zeitschrift sowie Angehörigen der Universität Marburg. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.


Titelbild

Friedhelm Rathjen: Arno Schmidt auf Fanø. Der Schulausflug der Atheisten.
Edition ReJOYCE, Scheeßel 2005.
188 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 3000174567

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