Auch Bücher mögen Face-Liftings
Max Goldts "Die Kugeln in unseren Köpfen" in einer Neuausgabe
Von André Schwarz
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDen Überblick über die Veröffentlichungen Max Goldts zu bewahren, kann eine ganz schön schwierige Aufgabe sein. Der "Meister der Mehrfachverwertung" versteht es geschickt, gut Abgehangenes in neue Gewänder zu kleiden. So steht kurz nach "Für Nächte am offenen Fenster", einer Sammlung der "prachtvollsten Texte von 1988-2002" schon wieder etwas Neues im Regal der Lieblingsbuchhandlung. Aber gab es "Die Kugeln in unseren Köpfen" nicht schon einmal? Der passionierte Goldt-Leser überlegt: 1995 erschien das Büchlein bei Haffmans, dann gab es 1999 eine durchgesehene Fassung bei Heyne in diversen Auflagen und nun, wiederum etwas aufpoliert, also ein schickes Taschenbuch bei Rowohlt. Nochmals im Überblick und in den Worten Goldts: ",Kugeln' ist der Nachfolger von ,Quitten'. ,Kugeln' rekapituliert alle ,Titanic'-Beiträge von 1993 und 1994. [...] Nach ,Kugeln' kam ,Ä'". Ist klar, oder?
Das Aufhübschen der Kolumnen geschah aber ungemein behutsam, ganze zwei Überarbeitungen des Jahres 2001 bzw. 2003 sind zu vermerken, man hat also die nicht zu unterschätzende Gelegenheit, das authentische Nachwort von 1994 nochmals zu genießen. Ein wenig anstrengend und unschön ist diese Praxis schon, die Gefahr, dass er sich nur noch aus der Mottenkiste bedient, scheint zwar ausgeschlossen, doch ein gewisses zu-Tode-Reiten droht, Routine kann schnell Langeweile erzeugen. Doch man kann dem Ganzen auch Positives abgewinnen, denn so hat jede neue Lesergeneration die Gelegenheit, den aktuellen Stand des Goldt`schen Œuvres abzugreifen. Denn von ihrer Qualität haben die Texte keinen Deut verloren, und sie sind auch beim erneuten Lesen ein Genuss. Kein noch so obskures Alltagsphänomen kann sich vor seiner Fabulierlust und seiner irrlichternden Logik verstecken, und man denkt selbst an die Zeit zurück, als die Züge der Bahn noch richtige Namen hatten, wenn man "Unvergessen ist die große Rede, die Richard von Weizsäcker 1985 über Schlemmerfilet hielt" liest. Überhaupt diese Überschriften, kein Autor schafft es wohl, seinen Kolumnen derart kunstvoll-dadaistische Titel zu geben. Kostprobe? "Dank Bügelhilfe fühlt man sich wie ein geisteskranker König" oder: "Lieder sind wie geschmolzene Stadthallen oder: Früher war alles gelb". Köstlich auch die Abbildungen nebst dazugehörigen Bildunterschriften. Lernen sie verstehen, wieso "Rohre ohne Kinder" so undenkbar sind wie "Kinder ohne Rohre" oder seien sie froh, dass auch der Landbewohner an sich nicht auf Kugeln verzichten muss.
Und so geschieht es, dass man beim Besuch in der Buchhandlung doch wieder die neueste Sammlung der besten Kolumnen aus den Tiefen der Goldt`schen Grabbelkiste erwirbt und sich darüber nicht ärgert, sondern sich freut, dass man auch diese Ausgabe gefunden hat. Ob das allerdings auch "Lesefröschchen" so geht, die nicht längst von seiner Qualität überzeugt sind, sei dahingestellt.
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