Arabische Worte

Assia Djerbas Roman über den algerischen Unabhängigkeitskampf

Von Hanna BehrendRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hanna Behrend

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Assia Djebar, Pseudonym für Fatima-Zohra Imalayene, geb.1936 in Cherchell in Algierien, eine der auch in Europa bekanntesten Schriftstellerinnen ihres Volks, ist in die französische und die algerische Kultur gleichermaßen integriert. Von dieser konfliktvollen doppelten Identität, durch die sie geprägt ist, kündet auch ihr 2004 erschienener Roman "Das verlorene Wort", in dem sie eigene Erfahrungen des Unabhängigkeitskampfes ihres Volks verarbeitet. Sie wurde durch ihren ersten Roman "Der Durst" (La Soif, 1957) bekannt, den sie während der Studentenunruhen 1956 schrieb. Sie war Assistentin an der Universität von Rabat, wo sie nordafrikanische Geschichte unterrichtete, und arbeitete gleichzeitig für die algerische Presse, Rundfunk und später auch den Film.

1997 wurde sie Professorin an der Louisiana State University, seit 2001 hat sie an der New York University eine Professur. Ein Jahr zuvor wurde sie mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Der Protagonist ihres 2004 erschienenen Romans "Das verlorene Wort", der aus Algerien stammende Schriftsteller Berkane, kehrt nach 20 Jahren, die er in Frankreich an der Seite einer französischen Lebensgefährtin, der Schauspielerin Marise, verbrachte, nicht mehr jung und gesund in seine fremd gewordene Heimat zurück. Er versucht, sie sich wieder anzueignen. Er nimmt Kontakt mit einfachen Menschen auf, zögert zunächst, besucht aber dann doch die Stätten seiner von politischer Gewalt auf beiden Seiten des Unabhängigkeitskampfes geprägten Jugend. Bei einem Besuch bei seinem Bruder Driss trifft Berkane auf die neun Jahre jüngere Nadjia, die ebenfalls Widerstandserfahrung besitzt. Zwischen beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Affäre. Sie gibt ihm Sprache, Geschichte und Kultur seiner Kindheit zurück, die er wie sie verloren hat. "Werde ich ihre arabischen Worte verpflanzen können? Werde ich sie hinübergleiten lassen können, um sie in der zweiten Sprache für mich zu bewahren?" fragt sich Berkane, ehe er sich auf den Wege zum "zweiten Ort seiner Gefangenschaft aus dem Jahr 1962" macht, wo seine Spur endet wie zunächst auch Nadjia verschwindet. Berkanes Verschwinden löst vergebliche polizeiliche und familiäre Suchaktionen seitens Driss aus; der Bruder hält Verbindung mit Marise. Aber schließlich geht man zur Tagesordnung über und Marise heiratet ihren Kollegen, den Theatermann Thomas. Wer in Algerien eine widerständige Vergangenheit hat, verlässt das Land wie Nadjia, die von Padua aus an den Geliebten schreibt, oder geht in den Untergrund wie Driss, der sich entschließt, "das Rätsel um die Rückkehr [...] [des] Bruders zu lösen".

In dieser poetischen Erzählung spiegelt sich die Trauer der Autorin über das Drama des algerischen Widerstandskampfes und der Zerrissenheit der Menschen wider, die in ihn verstrickt waren.


Titelbild

Assia Djebar: Das verlorene Wort. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Beate Thill.
Unionsverlag, Zürich 2004.
249 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3293003389

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