Weg in die Freiheit

Ein Roman aus dem heutigen Iran thematisiert Terror und Diktatur

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es sind die 1990er-Jahre, im Iran wächst eine junge Frau heran: Simin. Sie erlebt den zunehmenden Terror, in der Schule, auf den Straßen, im Freundes- und Bekanntenkreis. Dabei empfindet sie bereits das Kopftuch, das sie tragen muss, als einengend. Obwohl sie an der Mädchenschule durch Widerstand aufgefallen ist, erhält sie einen Studienplatz. Doch die junge Frau kann sich dem religiösen Terror nicht beugen, den sie als menschenverachtend und entwürdigend verurteilt. Daher versucht sie im Kreis Gleichgesinnter, die sie an der Universität kennen lernt, durch Demonstrationen und Flugblätter aufzuklären.

Die friedlichen Demonstrationen werden blutig niedergeschlagen, viele werden inhaftiert, gefoltert, getötet. Eine Freundin zündet sich an, weil sie die Unterdrückung der Frauen nicht mehr ertragen kann, und stirbt an den Folgen. Eine Nachbarin denunziert Simin und bringt sie ebenfalls ins Gefängnis. Dort wird sie gefoltert, misshandelt, ebenso ihr Freund. Simin kommt nach langer Zeit frei, ihr Freund nicht. Trotzdem opponiert die junge Frau weiter, sie kann nicht anders nach all dem, was sie durchgemacht hat. Doch schließlich ist ihr Leben so bedroht, dass sie ins Ausland fliehen muss, mit Hilfe einer Freundin, die ihr den Pass gibt. In Deutschland wird sie von einer Lehrerin erwartet, die lange vor ihr das Land verlassen hat. Ihre Familie, ihre Freunde und ihren Partner muss sie zurücklassen.

Der Roman schildert das Leben im Iran eindringlich - die Verflechtungen des Terrors, die Ängste der Menschen, die tägliche Bedrohung, das Morden und Ausrotten kritischer Intellektueller. Aber auch das Umschwenken von Menschen, die sich dem Terror beugen, um persönliche Vorteile zu erlangen oder nicht die Stärke haben, sich dem Terror entgegen zu stellen, wird detailliert erzählt und in Kontrast gesetzt zum Verhalten von Simin und ihren Freundinnen und Freunden. Das Buch will parteiisch sein und das ist es auch von Beginn an. Es steht auf der Seite der Terror-Opfer, will nicht beschönigen - was gibt es bei einem solchen Thema auch zu beschönigen? - und deutlich Gegensätze herstellen. Darunter leidet die literarische Qualität, weil zur Beschreibung vielfach konventionelle Bilder verwendet werden: "und der wie vom Wahnsinn besessenen Horde fanatischer Mörder ging die Sonne auf."

Literarische Qualität wird aber nicht das erste Ziel der AutorInnen gewesen sein, sondern mit Hilfe von Literatur politische Aufklärung zu betreiben, was in diesem Fall sehr gut gelingt.

Eindrücklich sind die Szenen, in denen die Demonstrationen und deren Niederschlagungen beschrieben werden, die Darstellung der Elemente des bedrückenden Alltags, die Hoffnungen und Ängste der Menschen auf bessere Zeiten. Dass Frauen hier eine Unterdrückung erfahren, die ihre gesamte Existenz auslöscht, macht der Roman besonders deutlich, nicht zuletzt durch die Wahl einer weiblichen Hauptfigur. Sie ist Revolutionärin im demokratischen Sinn, will politisch wirken durch demokratisches Handeln und den politischen Umbruch eben dadurch erreichen. Dies erinnert in Grundzügen an die Frauen der Französischen Revolution, die ebenfalls durch ihr Einsetzen für die Demokratie politisch wirken wollten. Einige wurden dafür getötet, andere gefoltert, wieder andere eingesperrt. Der Kampf um Menschenrechte ist und bleibt ein Kampf um Frauenrechte. Dies erzählt der Roman von Solaleh und Ali Schirasi auf eine bestürzend realistische Weise. Dass der Verlag ihn für 10 Euro anbietet, erleichtert die Kaufentscheidung.


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Salaleh Schirasi / Ali Schirasi: Weder Kopftuch noch Handgranate. Roman.
Schardt Verlag, Oldenburg 2004.
203 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3898411478

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