Unbekannte Wesen

Über den menschlichen Umgang mit Computern

Von Matthias FrankeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Matthias Franke

Zum General gehört die Uniform, zum Fürsten das Zepter; kein Cowboy ist ohne den entsprechenden Hut denkbar. Als Attribute definieren Dinge den sozialen Status, die soziale Funktion und zeigen dadurch an, wie einer Person gegenüberzutreten ist. Dinge repräsentieren die 'selbstverständlichen' Regeln des sozialen Umgangs; sie produzieren und bilden gesellschaftliche Ordnung. Die Dinge sind also nicht nur das Feld für den instrumentellen Gebrauch, sondern auch das Äußere des sozialen Erlebens, das Spielfeld der individuellen Selbstverwirklichung innerhalb der Gesellschaft - wie Alfred Lorenzer es beschreibt. Für Hannah Arendt ist der Menschen ein "be-dingtes" Wesen. Alle Dinge, die er produziert oder auffindet, werden sozusagen zur Be-ding-ung des Selbst. Die Dinge produzieren und reproduzieren ihre eigenen Produzenten. "Homo faber" produziert die Dinge nicht nur zum Gebrauch, sondern um sich in ihnen wiederzufinden. Dazu tritt er mit den Handlungsanweisungen, die durch Dinge vorgegeben werden, in enge Interaktion. Der Sportsitz des schnellen Autos gibt eine dem Habitus entsprechende Haltung des Körpers vor. Der Haltungs- und Handlungsvorgabe des Sitzes kann man folgen, man kann mit ihr spielen - wie die Kinder auf der Rückbank - oder sie ablehnen und 'aussteigen'. Die Interaktion mit Dingen korrespondiert mit der Erwartungshaltung, den Wert- und Wunschvorstellungen der sozialen Umwelt, die spielerisch verändert, abgelehnt oder aktzeptiert und verinnerlicht auf die Form des Ichs Einfluss nimmt.

Technische Neuentwicklungen brachten in der Geschichte gesellschaftliche Umwälzungen mit sich. Wir selbst sind Zeitzeugen einer wichtigen Innovation der Technik, ein neues Ding ist da: der Computer. Wie gehen wir mit der neuen Technik um? Und wie geht sie mit uns um, welchen Einfluss nimmt sie auf uns? In den zwei folgenden Texten soll dieser Frage nachgegangen werden.

Der Gebrauch eines Computers eröffnet neue Möglichkeiten der Interaktion, die über die beschriebenen hinausgehen. Bezeichnenderweise wird der Computer nicht mehr so selbstverständlich als Ding betrachtet, wie die bisherigen Produkte der Industriegesellschaft. Der Techniksoziologe Bernward Joerges rechnet den Computer zwar der dinglichen Kultur zu - ein Ding ist für ihn alles, was uns Widerstand entgegensetzt, was greifbar und hart ist. Doch wie steht es mit der Software, die zwingend zu einem Computer gehört? Mikaly Csikszentmihalyi wählt eine erweiterte Definition des Begriffs. Ein Ding ist dabei jede Information, welche sich mit erkennbarer Identität im Bewusstsein abzubilden vermag. Nach Cszikszentmihalyi evoziert es durch hinreichende Kohärenz oder seine innere Struktur ein Sprachschema oder ein konsistentes Abbild. Eine solche Begriffsbildung wird der Eigenschaft des Rechners gerecht, erst durch die Verbindung der Hardware mit Software zur Maschine zu werden, wie Christina Schachtner festellt. Die Funktion von Maschinen definiert sich durch ihre Mechanik. Die Möglichkeiten von Computern beschränken sich nicht auf eine solche Funktionslogik. Je nach Software wird der Rechner zu verschiedenen Maschinen; der Computer ist Schreibmaschine, CD-Player, Kopierer, Rechenschieber, Zeichenbrett... In dieser Vielfalt zeigt sich eine Ambivalenz des Computers. Sogar die Trennung zwischen Maschine und Mensch wird von dieser Unbestimmtheit tangiert. Dies hat Folgen für alle, die mit dem Computer interagieren. Der Computer delegiert seine Unbestimmbarkeit, die Ambivalenz, die er verkörpert, an den Benutzer.