Hommage an den blauen Dunst

Cristina Peri Rossi über "Die Zigarette - Leben mit einer verführerischen Geliebten"

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Cristina Peri Rossi lebte mit der Zigarette im Mund, hörte auf zu rauchen und schrieb eine unvergleichliche Hommage an den blauen Dunst: "Die Zigarette - Leben mit einer verführerischen Geliebten" ist ein Buch über die Geschichte des Rauchens, die Produktion von Zigarren und Zigaretten, sowie die erotische Konnotation des Rauchens und die psychologische Bedeutung des Rauchakts als Belohnung, wenn Minenarbeiter rauchen, nachdem sie aus einem verschütteten Stollen gerettet wurden, und wenn Studenten nach dem Examen rauchen. Das Buch ist aber vor allem eine tiefe, ehrliche Liebeserklärung an die Zigarette: "Viele Menschen erinnern sich an das erste Mal, als sie das Meer sahen, an den ersten Kuss, den ersten Orgasmus, die erste Kommunion, die erste Schwangerschaft, den ersten Tag beim Militär, und jeder Raucher erinnert sich an die erste Zigarette", schreibt Cristina Peri Rossi und betont, sie habe zu der Klasse von Rauchern gehört, die alle Widerstände überwunden und die selbst während des Essens oder auf Beerdigungen geraucht hatten.

Es könne sein, dass die Zigarette auf lange Sicht tötet. "Aber auf kurze Sicht ist sie ein Reiz, der seinesgleichen sucht", wirbt die Autorin für den Tabakgenuss. Thommy Bayer schrieb wohl deshalb in der "Welt", das Buch von Cristina Peri Rossi sei gefährlich. Raucher seien schließlich eine "Armee von Killern, die nur eines will: unsere Lungen zerstören". Die starke Assoziation von Zigarette und Tod in den letzten Jahren bezeichnet Cristina Peri Rossi als "Höhepunkt des romantischen Mythos vom Rauchen: Eros und Thanatos erneut vereint." Von der ersten Seite an beschreibt sie die Zigarette als romantisches Emblem, das man mit Schmugglern, Bohemeleben, Seefahrern, mit freizügigen Frauen aus der Unterschicht und einer unehrerbietigen, rebellischen, antibürgerlichen Haltung assoziiert.

Wenn es dem gutgläubigen Genießer und Leser des Zigaretten-Buchs dann trotz der Liebeserklärungen an den Tabak doch dämmert, dass er sich von diesem Planeten herunterraucht, hat Cristina Peri Rossi zum Schluss noch eine Lebensweisheit parat: Sie habe zwar aufgehört zu rauchen, aber sie werde niemals eine reumütige Raucherin sein. Zigaretten haben ihr zu viel Vergnügen geschenkt, als dass sie den blauen Dunst verabscheuen könnte. Also ganz nach dem Motto: Hört auf zu rauchen, aber vergesst niemals, wie schön es ist zu rauchen! Das Buch ist daher auf keinen Fall angehenden Ex-Rauchern zu empfehlen. Wer es liest, dem zucken die Finger in Richtung Portemonnaie, um gleich zum nächsten Zigarettenautomaten an der Straße zu laufen und endlich wieder frischen Rauch in die Lungen zu pumpen.

Trotzdem: "Die Zigarette - Leben mit einer verführerischen Geliebten" ist ein kurzweiliges, informatives Buch, das in einer lauen Sommernacht gelesen werden sollte - bei einer kräftigen, würzigen Zigarre oder einer selbst gedrehten Zigarette, versteht sich. Es ist ein Buch für die Raucherglückseligkeit, für den unmittelbaren Lustgewinn gegen alle hippen Gesundheits-, Körper- und Schönheitskults. Die zigarettenfeindliche Realität, in der gerade der Gesetzgeber überlegt, ob er die Werbung ganz und das Rauchen selbst fast überall verbieten sollte, wird für die Stunden in der Hängematte mit diesem Buch abgeschaltet. Träumen wir doch einfach paffend mit! Oder lieber doch nicht?


Titelbild

Cristina Peri Rossi: Die Zigarette. Leben mit einer verführerischen Geliebten.
Übersetzt aus dem Spanischen von Sabine Giersberg.
Berenberg Verlag, Berlin 2004.
166 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 393783401X

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