Heinrichs Italienreise

Macht, Krieg und die schöne Benedetta auf dem Weg des Königs zur Kaiserkrönung

Von Katrin HagedornRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katrin Hagedorn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Siege und Niederlagen, Liebe und Hass, Aufstieg und Fall sind kennzeichnend für die Geschichte in Roland Paulers Roman "Der Kaiser und die Papessa". Sie führt durch das Italien des späten Mittelalters: Turin, Asti, Mailand, Monza und als "krönender" Abschluß die heilige Stadt Rom sind Stationen der bewegten Reise des deutschen Königs Heinrich VII.

Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Jahre 1995, fast 700 Jahre nach den historischen Ereignissen des Jahres 1313. Bei einer Buchvorstellung in Pisa kommt der Münchner Historiker Roland Pauler durch ein Treffen mit einem alten Grafen in den Besitz einer mittelalterlichen Handschrift, die als verschollen galt. Es sind die Tagebucheintragungen des Bischof Nikolaus, dem Gefolgsmann und treuen Freund von Heinrich VII., der den Italienzug des Deutschen begleitet. Die Gedanken des Beichtvaters schildern die Ereignisse auf dem Weg des Königs von Deutschland bis zur ewigen Stadt, wo er die Kaiserkrone empfangen wird. Auf seinem Friedenszug durch die italienische Landschaft will Heinrich VII. das zerstrittene Italien der Ghibellinen und Guelfen versöhnen. Doch je mehr er sich in ihre Regierungsgeschäfte und Verwaltungsapparate einmischt, desto mehr wird der "Friedefürst" zum gefürchteten Krieger. Nach blutigen Kämpfen gegen die Stadtstaaten Italiens erreicht Heinrich endlich sein Ziel Rom, doch geschwächt von Krankheit und den Leiden des Krieges stirbt der gekrönte Kaiser am Ende seiner Reise.

Ohne jegliche Distanz zu Geschehnissen und Gefühlen beschreibt Bischof Nikolaus die Reise Heinrich VII.. Erschreckend tiefgehend schildert er in schlichten und einprägendn Sätze die Wandlung des einst friedlichen Königs. Viele Details machen diese Reise lebendig und versetzen den Leser in mittelalterliche Kriegszeiten. Während die Reise durch Italien sehr ausführlich und malerisch beschrieben wird, bricht der Autor bei den Tagebuchaufzeichnungen die Distanz der Jahre und ermöglicht einen engen Bezug zur heutigen Zeit. Heinrichs Werdegang vom gefeierten König, der für den Frieden steht, zum gefühllosen Kriegsherren beschreibt der Historiker realitätsgetreu und lebensnah. Als Leser wird man in die Geschichte hineingezogen und kann den Gefühlen des Beichtvaters und des Königs nicht entkommen. Vor allem die nicht vorhandene Distanz zu Nikolaus und seinen Gefühlen lässt den Leser mitempfinden, er hasst, liebt und fühlt mit ihm. Mit seinem Hang zur wissenschaftlichen Rede verweilt Pauler an einigen Passagen zu lang. Eine Verkürzung der Erläuterungen wäre wünschenswert und ließe den Roman spannender und kompakter.

Doch nicht nur Kriegsschauplätze und Machtkämpfe werden geschildert. In Mailand tritt die wunderschöne Benedetta in das Leben von Bischof Nikolaus. Trotz seines Keuschheitsgelübdes unterliegt der Beichtvater den Reizen dieser bezaubernden Frau, die bei allen als "Papessa" bekannt ist. Innerlich mehr und mehr distanziert von den grausamen Taten des Königs, sucht er Geborgenheit und Nähe bei Benedetta. Diese Liebesgeschichte ist der aufleuchtende Mittelpunkt des Buches. Abseits von strategischen Machtkalkülen und dem unaufhaltsam wiederkehrenden Kämpfen der Herrscher erwärmt sie die kriegerische Welt durch herrliche Gefühle, poetisches Liebesgeflüster und eine unendliche scheinende Liebe. Dieses melancholische Moment, bevor die Waffen wieder zum Kampf erhoben werden, ist ein wichtiger Aspekt des Buches, der sich ganz dem historisierenden Erzählstil entzieht.

Nach dem langatmigen Anfang wirkt der Eintritt der schönen Papessa wie eine Erlösung. Sie gibt dem Buch einen geheimnisvollen und reizenden Charme. Als auch Heinrich VII. und seine Frau von den Liebesreizen der Benedetta ergriffen werden, kommen Eifersüchteleien auf. Obwohl jeder auf seine Weise die schönen Stunden mit der Papessa genießt, wirkt nur die Beziehung zwischen Nikolaus und ihr wie die wahre Liebe. Ihre Begegnungen prägen den wunderbar warmherzigen Stil dieses Buches. Leider verliert sich dieser zum Ende hin, es wird wieder chronologisch Geschichte erzählt. Der Historiker Roland Pauler scheint sich mitunter zu sehr in sein Metier der Wissenschaft zu verlieren und seinen Roman aus den Augen zu verlieren.

Titelbild

Roland Pauler: Der Kaiser und die Papessa.
Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 1999.
300 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3538070857

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