Eine Ehehölle
Maeve Brennans "Geschichten einer Ehe"
Von Martin Gaiser
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Es war ihm ein Rätsel, wohin ihr gemeinsames Leben entschwunden war oder weshalb sie überhaupt zusammengefunden hatten." Dieser Satz fasst zusammen, was Hubert Derdon am Ende seines Lebens, nachdem seine Frau Rose gestorben ist, denkt und empfindet. "Mr. und Mrs. Derdon" heißt ein Buch der 1917 in Dublin geborenen und 1993 mittellos und vergessen in New York gestorbenen Maeve Brennan.
"Geschichten einer Ehe" ist dieses schmale Buch untertitelt, da die Autorin die sechs Geschichten innerhalb von 20 Jahren in amerikanischen Zeitschriften veröffentlicht hat. Doch von einer Ehe ist wenig zu lesen.
Hubert und Rose Derdon haben sich kennen gelernt, er will sie heiraten, ihre Mutter rät ihm, diesen Schritt noch einmal zu überdenken, da sie ihre Tochter unbeständig nennt. Er überlegt, sie willigt ein. Erst wohnen sie in zwei Zimmern in Dublin, dann in einem Haus etwas außerhalb. Er arbeitet bei einem Herrenausstatter, sie zu Hause. Sie haben ein Kind, John, der Priester werden wird. Die Eheleute haben sich nichts zu sagen, sie haben nie gelernt, über ihre beklemmende Routine hinaus Unternehmungen zu machen, miteinander über sich zu reden, gemeinsam das Leben zu bestreiten. Sie leben nebeneinander her, hassen sich, machen sich durch kleine Gemeinheiten das Leben schwer. Sie pflegt ihren Garten, er macht das Feuer an. Sie bringt ihm sein Frühstückstablett, er liest Zeitung. Ein soziales Leben gibt es nicht, sie haben keine Freunde, von Nachbarn ist nie die Rede.
Roses einzige Abwechslung sind arme Leute, die dann und wann bei ihr klopfen und sie um ein Almosen bitten. Früh hat sie sich an ihren Sohn geklammert, hat ihn dem Vater vorenthalten, um so eine Front gegen Hubert aufzubauen. Als John das Elternhaus verlässt, stürzt für sie wieder etwas ein, so wie damals, als ihr Vater starb, zwei Tage vor ihrem zehnten Geburtstag. Ihr Vater, den sie so geliebt und verehrt hat. Nie hat Rose an sich gedacht, nie Bedingungen an ihren Mann oder an das Leben gestellt. Ihre Passivität und Einfalt haben sie zu einer kläglichen Frau gemacht, um die zu trauern ihr Mann nicht imstande ist.
Maeve Brennan ist mit diesem zeitlos schönen und schnörkellosen, meist aber düsteren und beklemmenden Buch ein Meisterstück gelungen. Ihre feinen Beobachtungen beider Eheleute sind immer klar, doch nie nüchtern kalt. Treffend beschreibt sie auf ruhige Weise die Scharmützel von Rose und Hubert und lässt die Emotionen meist außen vor. Die ebenfalls mit viel Verzögerung in Deutschland wahrgenommene Paula Fox lobt Brennans Geschichten außerordentlich und man kann nur hoffen, dass dieses Buch die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfährt.
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