Verharren in der Opferrolle?

Katharina Rutschky ärgert sich über frauenbewegte Frauen

Von Thomas BollwerkRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Bollwerk

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Leider ist eine soziale Bewegung wie die Frauenbewegung nicht so leicht zu rezensieren wie ein Buch". Diese späte Erkenntnis stellt sich bei Katharina Rutschky erst im letzten Kapitel ihrer Streitschrift ein, die sich als kritische Auseinandersetzung mit der "neuen Frauenbewegung seit den sechziger Jahren" versteht. Rutschkys Dilemma ist es zu verkennen, daß es DIE Frauenbewegung gar nicht gibt, jedenfalls nicht als die mehr oder weniger homogene, sich linear entwickelnde Bewegung, zu der die Autorin sie, der Einfachheit halber, zurechtstutzt. So zerfällt ihr Text - vom Verlag vollmundig als "scharf geschliffen(er) Essay" angekündigt - in reichlich beliebig wirkende Diskussionen über den Paragraphen 218, die Frauenquote in öffentlichen Ämtern, geschlechterspezifische Arbeitsteilung im Haushalt, sexuellen Mißbrauch, Frauenbeauftragte an Universitäten, Judith Butlers Dekonstruktion der Kategorien gender und sex sowie das Pinkeln im Stehen. Rutschky wird dem Komplexitätsgrad, der (manchen) dieser Themen eigen ist, nur selten gerecht. Zu dominant ist ihre, aller Argumentation als Folie dienende These, daß sich "die Feministinnen" in einer selbstkonstruierten Opferrolle behaglich eingerichtet hätten. Mag ihr hier ein Nachweis in Einzelfällen gelingen, so entwertet sie ihre Position letztlich durch ständige, polemisch-diffamierende Generalisierungen, wenn sie etwa behauptet, der Feminismus begünstige die "psychische Infantilität" der Frauen, pflege den Stil einer "larmoyanten Aggressivität" oder sei gar dem "Jugendirresein" gleichzusetzen.

Letztlich wird sich Rutschkys Essay als kontraproduktiv erweisen: Einige LeserInnen werden sich (teilweise zu Recht) über dieses Buch empören und vor dem backlash warnen, was die Autorin wiederum (teilweise zu Recht) als Opferreflex interpretieren dürfte. Die Fronten werden sich verhärten und die Kontrahenten sich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen.

Titelbild

Katharina Rutschky: Emma und ihre Schwestern. Ausflüge in den real existierenden Feminismus.
Carl Hanser Verlag, München Wien 1999.
159 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3446187669

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