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Der Musikjournalist Markus Kavka schreibt in „KiWis Musikbibliothek“ über seine Liebe zur britischen Poplegende Depeche Mode

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die vor einem Jahr vom Verlag Kiepenheuer & Witsch gestartete Musikbibliothek hat bisher – um es vorsichtig auszudrücken – gemischte Ergebnisse hervorgebracht. Konzept der Reihe ist es, Autor*innen des Verlags zu ihren jeweiligen Lieblingsmusikern einen kurzen Band schreiben zu lassen; teils wohl auf Anfrage (wie Thees Uhlmann in Bezug auf sein Buch über die Toten Hosen erzählte), teils aus Eigeninitiative. Es ist schade, dass andere Experten, etwa verdiente Musikjournalist*innen, hier nicht zu Wort kommen, denn vielleicht hätten die interessanteres zu vermelden als der eine oder andere KiWi-Star – immerhin wurde der kommende Band über Enya tatsächlich vom Pianisten Cilly Gonzales (wenn auch übersetzt von Kiwi-Autorin Sophie Paßmann) verfasst. 

Erfolgreich war vor allem jener Band von Thees Uhlmann über die Toten Hosen, obwohl das Buch eine chaotische Ansammlung von Anekdoten ist, die Uhlmann zudem bei der zeitgleichen Vermarktung seines seinerzeit erschienenen Albums „Junkies und Scientologen“ immer wieder zum Besten gab. Auch Frank Goosens Buch über die Beatles erzählte dem Fan weder Neues noch Aufregendes von dessen Leidenschaft; tatsächlich scheinen dem Autor nach der Hälfte der Seiten die Ideen ausgegangen zu sein. Klaus Modick wiederum schrieb eine Novelle über Leonard Cohen, bzw. über Menschen, die dessen Musik hören, immerhin ein origineller, wenn auch nicht unbedingt gelungener Versuch. Das mit Abstand lesenswerteste Buch der Reihe war bisher, etwas unerwartet, Tino Hanekamps Fanstudie über Nick Cave, weil es dem Autor gelang, seine Leidenschaft für den Künstler in ein rasantes Road-Novel Szenario zu packen, das vorgeblich autobiographisch war, aber stets vom Hauch der Fiktion umweht wurde.

Vorbild für die Reihe ist zweifellos das 33 1/3-Projekt der britischen Omnibus Press. Auch hier sind die Bände wie Autor*innen äußerst heterogen, allerdings versammeln sich Musiker*innen, Schriftsteller*innen, Journalist*innen und auch Wissenschaftler*innen, die sich gerne auch selbst beim Verlag für einen Band bewerben können und dabei völlig frei bei der inhaltlichen Gestaltung sind. So gibt es Romane, Novellen, autobiographische Berichte, wissenschaftliche Analysen oder tatsächliche Fan-Erzählungen. Außerdem wird hier, anders als bei KiWi, nicht über eine Band oder Musiker*in geschrieben, sondern über ein bestimmtes Album.

Die Musikbibliothek jedenfalls geht in die dritte Runde, und neben dem bereits erwähnten Band von Chilly Gonzales über Enya sowie einem über Eminem, verfasst von Antonis Baum, findet sich hier auch Markus Kavkas Versuch über seine Lieblingsband Depeche Mode. Kavka, seines Zeichens ehemaliger Musikjournalist und ehemaliger MTV-Moderator, weiß natürlich, dass über das Trio aus dem englischen Kaff Basildon alles erzählt ist und vor allem weiß er, dass die Millionen deutschen Fans der Band ihm gehörig auf die Finger schauen werden. Denn kaum ein musikalischer Act verfügt über so eine treu ergebene Fangemeinde wie Depeche Mode. Das weiß natürlich auch der Verlag, und so sind die Hoffnungen, Uhlmanns Bestseller zu toppen, gar nicht so unberechtigt, auch wenn Kavka – anders als Uhlmann – als Verfasser vielleicht nicht die größte Nummer ist.

Tatsächlich ist ihm zugutezuhalten, dass er sich recht sklavisch an die hypothetischen Vorgaben des Verlags hält; zumindest liest sich das Buch wie aus dem ‚Musikfan schreibt einen autobiografischen, chronologischen Text über seine Leidenschaft“-Lehrbuch. Und das ist gar nicht mal das Schlechteste. Wir lernen ebenso viel über Kavka als jugendlichen Goth in einem bayerischen Dorf wie über die Entwicklung der Band – auch wenn beides in den späten 80ern aufhört und anschließend nur noch auf die Interviews, die der Journalist Kavka in den 00er Jahren mit Dave Gahan, Martin Gore und Andy Fletcher führen durfte, eingegangen wird. Trotzdem erfährt man nicht wenig über die Jugendbewegung Goth in den 80ern sowie über die große Bedeutung von Depeche Mode in der ehemaligen DDR. Wenn Kavka über die Musik der Band schreibt, tut er dies aus einer rein subjektiven, autobiografischen Perspektive, er verwebt seine eigene Lebensgeschichte mit der Karriere der Band, und man findet das doch recht interessant, auch wenn man zwar Depeche Mode, nicht aber Markus Kavka kennt.

Kurzum: Kavka ist ein wirklich unterhaltsames, interessantes und sehr kenntnisreiches Buch gelungen, das nerdgerecht mit Setlists von legendären Konzerten und vor allem Listen von persönlichen Lieblingssongs und –alben garniert wird. Vielleicht sollten zukünftige Autor*innen der Reihe sich einfach mal dieses Buch als groben Leitfaden vornehmen.

 

 

Titelbild

Markus Kavka: Markus Kavka über Depeche Mode.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
128 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783462053272

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