„Künstler-Köpfe“: Friedrich Dürrenmatt und Paula Modersohn-Becker

Von Simone FrielingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Frieling

Friedrich Dürrenmatt

 

 

Überall Hindernisse, Hemmnisse.
Der Vater Pfarrer.
Der Großvater immerhin Dichter.
Die Schule: die „übelste Zeit“.
Die Enge des Kantons.
Das Land: „ein Gefängnis“.
Sollte er nun Maler werden oder schreiben?

Nach tausend kleinen Schritten
gelang ihm der große Sprung
direkt auf die Bühne der Hauptstadt.
Ausverkauft. Bejubelt. Durchgefallen. Skandalös.
So ging das jahrein jahraus.
Irgendwann hatte er den Zirkus satt
und besprach sich mit seinem gefiederten Orakel.
‚Was meist Du,
mein weißer Kakadu?‘
Das Tier schnäbelte zärtlich mit seinem Meister,
der ihm einen Leckerbissen hinhielt.
Und unter Krächzen riet ihm der Kakadu,
das zu sein, was er war:
ein grotesker Clown.

Nur im Irrenhaus sind wir noch frei. Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken. In der Freiheit sind unsere Gedanken Sprengstoff.

 

Paula Modersohn-Becker

 

Festlich gedeckt die Tische,
zwischen Steingut die Früchte.
Jedes Ding an seinem Ort
funkelt oder dunkelt,
als sei es frisch gepflückt.
Und doch ruht es,
wie vorherbestimmt
in heimatlicher Aura.

Sonntäglich
ist das Mädchen hergerichtet.
Die Haare fallen ohne Strenge,
der Blütenkranz liegt leicht auf zarter Vogelbrust,
der Stuhl steht wartend schon seit langer Zeit.
Und doch
ist eine Scheu
in seinem abgewandten Auge
und seine Glieder sind ganz starr.
Vor fremdem Blick,
sich nackt zu zeigen,
ist ihm nicht einerlei.

Gesegnet
mit der Frucht des Leibes,
steht die Frau vor dem alten Spiegel.
Lustvoll durchwandern ihre Augen
die Landschaft
ihres Körpers.
Wie ist er weich,
und wie vollkommen!
Ein warmer Wind
treibt die Dünung ihres Bauches
dem sicheren Hafen zu.

Es brennt in mir ein Verlangen, in Einfachheit groß zu werden.

——————-

Die beiden „Portraits in Bild und Wort“ erscheinen am 1. September 2022 im Rahmen eines gedruckten Buches im Verlag LiteraturWissenschaft.de