Blaue Pferde, gelber Hund
Katalog zur Ausstellung „Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter“
Von Anja Beisiegel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIn den wenigen Jahren von 1908 bis zum Ersten Weltkrieg schlossen sich in München Künstlerinnen und Künstler zusammen, um die Kunst zu verändern. Ziel des sogenannten Blauen Reiters war „die Befreiung der Farbe vom Zwang etwas darstellen zu müssen, die Befreiung der Linie von der Kontur und die der Fläche von der Illusion der Gegenständlichkeit“, wie Samuel Keller und Ulf Küster in der Einleitung zum Ausstellungskatalog Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter feststellen, der anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Fondation Beyeler (Riehen/Basel, 4. September 2016 – 22. Januar 2017) erschienen ist.
Anders als bei der Dresdner Brücke (1905 bis 1913) handelte es sich bei den Münchnern um keine festgefügte Künstlergruppe. Der Blaue Reiter ist der Name des Almanachs, den Wassily Kandinsky und Franz Marc erstmals Mitte Mai 1912 herausgaben, und steht darüber hinaus für die Ausstellungs- und Publikationstätigkeit beider Künstler. Den Namen erfanden sie, so Wassily Kandinsky, am Kaffeetisch der Sindelsdorfer Gartenlaube: „Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter.“
Im Ausstellungskatalog sind die wesentlichen Werke des Blauen Reiters abgebildet. So ist ein eigenes Kapitel den Murnauer Arbeiten Kandinskys gewidmet, die von Arbeiten Gabriele Münters, Marianne Werefkins und Alexej von Jawlenskys ergänzt werden. Eindrucksvoll werden in dieser Zusammenschau die gemeinsamen Auffassungen von Farbsynthese und Farbigkeit der beiden Künstlerpaare Kandinsky – Münter und Werefkin – Jawlensky nachvollziehbar, die in den Jahren von 1908 bis 1911 im ländlichen Idyll entstanden. Parallel zu den Murnau-Bildern lässt sich anhand Kandinskys Improvisationen sein Weg von der Figuration zur Abstraktion verfolgen.
Die farbstarken Ölgemälde Franz Marcs, die seine Begeisterung für Pferde und Tiere im Allgemeinen dokumentieren, werden von einer Auswahl kleinerer Aquaralle und Druckgrafiken flankiert (darunter mehrere Postkarten).
Die Abbildung der – teilweise doppelseitigen – Gemälde sind in sehr guter Druckqualität hergestellt. Einführend sind den Gemälden grundlegende Aufsätze vorgestellt. Genannt seien hier Oskar Bätschmanns Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte von Kandinskys Kunstwende und Andreas Beyers Beitrag zu den Gemeinsamkeiten des Redaktionsprojekts mit Aby Warburg.
Kernstück des Katalogs ist Ulf Küsters Aufsatz zum Almanach Der Blaue Reiter. 1912 herausgegeben, wurde er in verschiedenen Ausstattungen im Piper-Verlag (München) gedruckt. Im Almanach versammelten die Herausgeber Kandinsky und Marc Texte zeitgenössischer Künstler und stellten sie Werken europäischer und außereuropäischer Kunst und Volkskunst gegenüber, die ihnen als Inspiration und Beispiel dienten. Ausstellungskurator Ulf Küster stellt nun (in der Ausstellung wie auch im Katalog) den schwarz-weißen Abbildungen des Almanachs die originalen Kunstobjekte zur Seite. Es finden sich chinesische Miniaturen und japanische Malerei sowie bayerische Spiegelmalereien, Votivbilder und Hinterglasmalereien in bunten Farben und naivem Stil. Außerdem werden die – teilweise ebenfalls farbig gefassten – Holzfiguren aus Bali und Borneo gezeigt. Für die Blaue Reiter-Herausgeber führen diese außereuropäischen und bayerisch-volkskünstlerischen Arbeiten zu den „Wurzeln einer ursprünglichen und unverfälschten Kunst“ und stellen eine wesentliche Inspirationsquelle dar.
Abgerundet wird der Katalog von einer Zeittafel, die mit zahlreichen privaten Fotografien der Künstler illustriert ist. Insgesamt vermittelt Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter einen gut nachvollziehbaren und anschaulichen Einstieg in das künstlerische Schaffen und die theoretischen Hintergründe des Blauen Reiters.
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