Ein Niederrheiner, der zu Deutschlands bekanntesten Kabarettisten gehörte

Zum 100. Geburtstag von Hanns Dieter Hüsch ist ein Erinnerungsband erschienen

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er galt als Meister der leisen Töne und des anspruchsvollen Kabaretts: Hanns Dieter Hüsch, der vor 100 Jahren zur Welt kam, war über ein halbes Jahrhundert als heiterer Philosoph und literarischer Wanderprediger auf Bühnen sowie im Radio und Fernsehen unterwegs. Mit siebzig Kabarett-Programmen war er einer der produktivsten und bekanntesten Kabarettisten Deutschlands. Hüsch bezeichnete sich selbst als „Poet der kleinen Leute und kleinen Dinge“. Sein Hauptaugenmerk galt weniger der Tagespolitik, sondern vielmehr den kleinbürgerlichen Alltags- und Allerweltsereignissen. Seine Inspiration war die Provinz, aus der er stammte. So brachte er mit Geschichten und Anekdoten aus seiner niederrheinischen Heimat das Publikum zum Lachen und Nachdenken. Daher wurde er lange Zeit als Nestbeschmutzer angesehen, später dann als Identitätsfigur der Region. Außerdem war er als Schriftsteller, Schauspieler, Theaterregisseur, Liedermacher, Rundfunkmoderator und Synchronsprecher tätig.

Hanns Dieter Hüsch wurde am 6. Mai 1925 in Moers am Niederrhein als Sohn des preußischen Verwaltungsbeamten Heinrich Hüsch und dessen Frau Adelheid Auguste geboren. Für ihn war das später „die Gegend, wo er aufgewachsen worden ist“. Die Mutter starb, als der Junge zehn Jahre alt war. Wegen einer Missbildung seiner Füße musste er sich in der Kindheit mehreren Operationen unterziehen. Das machte ihn auch zu einem Außenseiter und er verfasste erste Texte. Nach dem Abitur blieb ihm aufgrund seiner Behinderung der Kriegsdienst erspart. Nach dem Kriegsende begann Hüsch ein Medizinstudium in Gießen, was er jedoch bald abbrach und nach Mainz ging, um hier Theaterwissenschaft und Literaturgeschichte zu studieren. Doch auch dieses Studium wurde bald zur Nebensache, vielmehr trat er in einem Studentenkabarett oder als Chansonnier auf. 1951 heiratete er Marianne Lüttgenau, die er später in seinen „Frieda“-Geschichten verewigte. Mit der gemeinsamen Tochter Anna lebte das Paar in bescheidenen Verhältnissen; als Nachrichtensprecher beim Süddeutschen Rundfunk versuchte Hüsch, die Familie über Wasser zu halten.

1956 gründete Hüsch dann mit der „arche nova“ in Mainz sein erstes eigenes Kabarett, das bis 1961 bestand. Nach der Auflösung trat er fast nur noch als Solokünstler auf. Hier setzte er, zunächst nur probeweise, eine Philicorda-Orgel ein, die dann zu seinem musikalischen Markenzeichen werden sollte. Das legendäre Instrument brachte ihm später den Spitznamen „Der Mann mit der Orgel“ ein. In den 1960er Jahren war Hüsch auch im Fernsehen präsent und seine Kabarettvorträge wurden zwar zunehmend politischer, aber der 1968er-Bewegung waren seine Texte nicht politisch genug. Aufgrund massiver Störungen musste er sogar Auftritte abbrechen. Seine Erlebnisse in dieser Zeit verarbeitete er in dem Programm Enthauptungen (1970). Verbittert zog sich Hüsch zurück. Als Synchronsprecher von Stummfilmstars und mit der Rolle in einer ZDF-Serie sorgte er für den Unterhalt seiner Familie.

Erst 1972 kehrte Hüsch auf die deutschen Kabarettbühnen zurück und erhielt auf Anhieb den deutschen Kleinkunstpreis. Mit seinem Programm Hanns Dieter Hüsch Live schaffte er schließlich 1973 den Durchbruch. Mit jedem Programm und jedem Gastspiel vergrößerte sich nun sein Publikum. Anlässlich der 500-Jahr-Feier der Universität Mainz wurde er 1977 Ehrenbürger der Stadt und 1982 erhielt er erneut den deutschen Kleinkunstpreis.

Zwischenzeitlich hatte er seine Familie verlassen und in der Schweiz mit der Sängerin und Tänzerin Silvia Jost zusammengelebt. 1979 kehrte er nach Mainz zur Familie zurück, doch seine Frau Marianne verstarb 1985 an einem Krebsleiden. Nach diesem Schicksalsschlag, beladen mit Schuldgefühlen, verließ Hüsch 1988 nach vierzig Jahren Mainz. Es zog ihn den Rhein abwärts nach Köln, wo er seine zweite Frau Christiane Rasche kennenlernte, die er 1991 heiratete.

Anfang der 1990er Jahre beendete Hüsch das Verfassen neuer Bühnenprogramme, seine Auftritte nahmen immer mehr den Charakter von Lesungen an. Als überzeugter Protestant wandte er sich jetzt verstärkt religiösen Themen zu und engagierte sich u.a. auf Kirchentagen. 1998 wurde bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert und ein Jahr später kehrte er nochmal auf die Bühne zurück. Im Jahr 2000 folgte seine Abschiedstournee „Wir sehen uns wieder“. Nach einem Schlaganfall 2001 zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Zuletzt lebte er mit seiner Frau in Windeck-Werfen im Rhein-Sieg-Kreis. Im Alter von achtzig Jahren starb Hüsch am 6. Dezember 2005 und wurde in seiner Geburtsstadt Moers in einem Ehrengrab auf dem Hülsdonker Zentralfriedhof beigesetzt. Der von ihm im Jahr 1999 initiierte Preis „Das Schwarze Schaf“wird bis heute alle zwei Jahre vergeben und fördert Nachwuchstalente der Kabarettszene.

Zum 100. Geburtstag von Hanns Dieter Hüsch ist ein Erinnerungsbuch mit Texten von ehemaligen Kabarettkollegen, von Freunden und Bewunderern erschienen. Die Idee dazu kam dem Herausgeber Malte Leyhausen während eines Gesprächs mit Franz Hohler auf der Frankfurter Buchmesse 2024. Eigentlich wenig Zeit für das ehrgeizige Buchprojekt, doch viele Wegbegleiter Hüschs, mit denen Leyhausen umgehend Kontakt aufnahm, zögerten nicht und sagten ihre Teilnahme spontan und kurzfristig zu. Um ein Vorwort bat er Mathias Richling, für den sich damit ein Kreis schloss, denn Hüsch hatte seinerseits vor über vierzig Jahren ein Vorwort zu Richlings allererstem Buch verfasst. Danach entstand ein jahrzehntelanger Kontakt mit vielen Besuchen.

Neben dem Vorwort bereichern weitere 45 Texte den Erinnerungsband. Henryk M. Broder, der Hüsch bereits Mitte der 60er als sechzehnjähriger Untersekundaner erlebte, wurde danach lebenslang zum Hüschianer. Jochen Malmsheimer gesteht in seiner „Art Dank“, dass er „eigentlich ohne Hanns Dieter Hüsch nicht denkbar sei“, denn bereits als Sechsjähriger war er von Hüschs Synchronstimme von Oliver Hardy und als Sechzigjähriger von Hüschs Ideenreichtum begeistert. Für Katja Epstein war Hüsch „mein Bruder im Geiste“: „Er jonglierte federleicht mit den Gattungen Parodie, Satire, Lied und Gedicht. Immer mit einer klaren Haltung. Und nie ohne Selbstironie.“

Hinrich Kley-Olsen, seit 2023 Vorsitzender vom Freundeskreis Hanns Dieter Hüsch e.V., lernte Hüsch zufällig 1987 während einer Fernsehaufnahme kennen. Seit Jahren hält er immer wieder in Lesungen Hüschs Texte lebendig. Leyhausen, der selbst einen Beitrag und einen Epilog beisteuerte, hatte außerdem die Gelegenheit, Gespräche mit Hüschs Ehefrau Christiane Hüsch-von Aprath und seiner einzigen Tochter Anna Hüsch-Kraus zu führen. Letztere stellte Anfang 2020 das Programm „Mein Vater, der Poet“ auf die Beine, mit dem sie bis heute Texte ihres Vaters vorstellt und auch persönliche Erinnerungen preisgibt.

Neben bekannten Namen wie Franz Hohler, Margot Käßmann, Renate Künast, Gerd Laudert (Hüsch-Biograf), Harald Martenstein oder Hannes Wader kommen noch weitere Bewunderer zu Wort – so der Eisenbahner Holger Lichtl, der eine Originalseite eines Bühnenmanuskripts von Hüsch geschenkt bekam, oder die Schriftstellerin und Verlegerin Marlies Kalbhenn, die durch Hüsch zu eigenen Texten angeregt wurde. Ergänzt wird die Neuerscheinung durch zahlreiche Fotos und einige Illustrationen des Grafikdesigners Jürgen Pankarz, der Hüsch 1968 bei den „Essener Songtagen“ kennenlernte, später für ihn Tourplakate und Cover entwarf sowie zusammen mit ihm fünf Bücher machte.

Bleibt nur zu wünschen, dass sich das Deutsche Fernsehen zu dem Jubiläum auch an Hanns Dieter Hüsch erinnert. Bei den sonstigen ständigen Wiederholungen: Warum nicht einmal „vom Höcksken aufs Stöcksken“?

Nachtrag: Im Neukirchener Verlag ist mit Ein Glück, dass es den Himmel gibt eine Auswahl von Psalmen, Gebeten und geistlichen Gedanken von Hanns Dieter Hüsch erschienen. Die Sammlung wurde von dem Theologen und literarischen Kleinkünstler Okko Herlyn zusammengestellt. Das Buch vereint die schönsten und eindrucksvollsten geistlichen Texte von Hüsch, der aus seinem christlichen Glauben nie einen Hehl gemacht hat – oft zur Verwunderung von Kabarettkolleg:innen.

Seit zwei Jahren bringt der Leipziger St. Benno Verlag einen großformatigen Wandmonatskalender mit Hüsch-Texten und farbenfrohen, symbolstarken Aquarellen heraus, der sich großer Beliebtheit erfreut, sodass sicher eine Fortsetzung geplant ist.

Titelbild

Malte Leyhausen: Hanns Dieter Hüsch zum 100. Geburtstag. Erinnerungen von Freunden und Bewunderern. Mit einem Vorwort von Mathias Richling.
Books on Demand, Hamburg 2025.
274 Seiten , 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783769327830

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