Liebe kann funktionieren

Antonia Meiners präsentiert in „Lange Liebe“ einen bunten Reigen historischer Paare

Von Martin SchönemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Schönemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Lange Liebe. Vom Glück des Zusammenbleibens heißt das neue Buch von Antonia Meiners, das nach einer ersten Auflage im Berliner Elisabeth-Sandmann-Verlag jetzt in einer erweiterten Neuausgabe als Insel-Taschenbuch erschienen ist. Wen würde das nicht interessieren, in einer Zeit, die im Öffentlichen wie im Privaten von der Brüchigkeit tradierter Verbindungen, vom Verlust kollektiver Gewissheiten und von der persönlichen Einsamkeit vieler geprägt ist? Andererseits weckt der Titel auch Misstrauen: Es könnte sich auch um ein konservatives Plädoyer für Lebensmodelle von vor hundert Jahren handeln, die die meisten Liebenden vermutlich nicht zurückhaben wollen.

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zerstreut den Verdacht jedoch: Das Buch vereinigt Portraits langjährig Liebender ganz unterschiedlicher Art – homosexuelle Liebesbeziehungen ohne Trauschein finden sich dabei ganz selbstverständlich neben arrangierten Ehen, bürgerlichen Liebesheiraten und freien heterosexuellen Liebesbeziehungen. Zudem steht die Person der Autorin für eine seriöse Darstellung: Antonia Meiners kennt man seit den 1980er Jahren als Herausgeberin und Autorin solide recherchierter populärer Sachbücher zur Zeitgeschichte, vor allem zur Geschichte Berlins, Meiners‘ Heimatstadt, sowie in den letzten Jahren auch zur Frauengeschichte. 

Auch Lange Liebe hat den Reiz früherer Meiners-Bücher: Der Band verlockt zum Stöbern und Sich-fest-Lesen. Man kann einfach irgendwo aufschlagen und zu blättern beginnen – binnen kurzem wird man hängen bleiben und lesen – verlockt von ansprechenden Fotos, pointierten Zwischenüberschriften, berühmten Namen. Und überall findet sich Interessantes: Zum Beispiel, dass sich das künstlerische Genie Hitchcocks auch seiner Frau verdankt, die als Cutterin und künstlerische Beraterin maßgeblich an seinen Filmen mitwirkte. Oder dass der umtriebige Churchill (der Text über ihn ist der vielleicht anrührendste des Bandes) eine ganz unveränderlich festgefügte Ehe führte, fußend auch auf der Neigung beider Partner zur Depression.

Aber lassen sich aus all dem nun Erkenntnisse über die Voraussetzungen lebenslanger Bindungen entnehmen? Das Vorwort kündigt das immerhin an: Es spricht von der Suche nach „Gemeinsamkeiten, um vielleicht hinter das Geheimnis der ewigen Liebe zu kommen“.  

Ausdrücklich zu diesem Zweck versammelt der Band Texte über das Liebesleben sehr unterschiedlicher Persönlichkeiten der letzten zwei Jahrhunderte, vornehmlich aus dem deutschen Sprachraum, auch einige Engländer, Franzosen und Russen sind dabei. Manche Paare sind nur mit kurzen Zitaten über ihre Liebe vertreten, anderen werden mehrseitige Kurzessays gewidmet. Alle Liebesgeschichten sind reich bebildert, viele der Bilder erscheinen in weißen Fotorahmen wie Schnappschüsse aus Fotoalben, die mit einer Büroklammer an die Buchseite geheftet oder just aus einem Briefumschlag gefallen scheinen. Diese Aufmachung betont das Private, das Alltagsleben (gerade im Vergleich zur ersten, etwas kitschig illustrierten Version des Buches im Elisabeth-Sandmann-Verlag).

In den Texten selbst bleibt dagegen wenig Raum für die Analyse des jeweiligen täglichen Miteinanders. Schließlich stellt das Buch bewusst sehr unterschiedliche Paare dar, es müssen jeweils historische, familiäre, charakterliche Besonderheiten erläutert werden, um ein lebendiges, verständliches Bild des Paares zu entwerfen. Für tiefere psychologische oder soziologische Betrachtungen zur Funktionsweise der Paarbeziehung ist dann kaum noch Platz.

Zudem bringt die Entscheidung, prominente Liebende zu portraitieren, mit sich, dass in der Regel recht ungleich gewichtete Beziehungen dargestellt werden. Liest man die Texte nacheinander weg, so drängt sich bei aller Unterschiedlichkeit der Lebensentwürfe nur eine Gemeinsamkeit auf: die Dominanz eines Partners. Dies umso mehr, als die Beispiele nach Art und Gewicht der Prominenz sortiert sind: Das Buch beginnt mit einem Kapitel über gekrönte Häupter, dann folgen Politiker mit ihren Partnern, später durch gesellschaftliches Engagement oder den Beruf miteinander verbundene Liebende, schließlich sonstige Paare, bei denen aber ebenfalls einer der beiden Partner prominent ist.

So bleibt das Geheimnis der ewigen Liebe am Ende ungelüftet, zumal das Buch nach dem letzten Essay unvermittelt endet, ohne dass die Autorin noch einmal auf die Ankündigungen ihres Vorworts eingeht.

Offenbar geht es darum gar nicht: Lange Liebe erklärt nicht, wie die Liebe funktioniert – es ist ein historisch-biografisches Lesebuch, in dem man sich auf interessante und unterhaltsame Weise durch verschiedenste Schicksale blättern kann. Es ist das Verdienst von Antonia Meiners (und ihrer in der Neuauflage leider nicht genannten Co-Autorin Anna Seeheimer), dass dies auf so kurzweilige wie historisch aufschlussreiche Weise erfolgt.

Titelbild

Antonia Meiners: Lange Liebe. Vom Glück des Zusammenbleibens.
Insel Verlag, Berlin 2020.
144 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783458681144

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