Die Tiroler Habsburger 1406 bis 1665

Anton Prock schaut in Tirol genauer auf das „Glückliche Österreich“

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Vorteil des monarchischen Prinzips gilt der geregelte Übergang von einer Herrschaft zur nächsten, womit vor allem Besitzstände gesichert waren. Soweit die Theorie. Der schönen Regelung stehen jedoch allerorten eigene Hausgesetze oder regionale Interessen entgegen, weshalb in den meisten Fällen das schönste Sicherungsverfahren in Erbstreitigkeiten und damit im Chaos mündete.

So auch bei jenen Herrschern aus dem Hause Habsburg, die in der frühen Neuzeit das schöne Land Tirol regierten. Ihnen und ihrem Wirken hat nun der Tirol-Experte Anton Prock eine reich bebilderte Monographie gewidmet.

Dem Begründer der Dynastie, Rudolf von Habsburg aus dem schweizerischen Aargau, den die Kurfürsten nur deshalb zum deutschen König gewählt hatten, weil sie ihn für schwach hielten, glückte es, sich Ländereien anzueignen, die vom Rhein bis nach Wien reichten. 1363 gelangte als wichtiges Brückenglied auch Tirol an die Habsburger, ein Geschenk der legendären böhmischen Königstochter Margarete Maultasch. Die Habsburger erhöhten sich flugs zu Erzherzögen (das heißt Besser-Herzöge). Mit ihren umfänglichen Besitzungen galt es allerdings, Geschwister und Ehefrauen, legitime und illegitime Kinder, Günstlinge und einen ausufernden und überaus kostspieligen Hofstaat zu versorgen. Weil das nur mit einer rücksichtslosen Ausbeutung von Untertanen und Ressourcen gelang, führte jeder Erbfall und damit  Besitzwechsel zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die sich Landadel und Fürstbischöfe, Städte und Bauern sowie konkurrierende Herzöge und Reichsfürsten in schöner Regelmäßigkeit lieferten. Hinzu kommt wie selbstverständlich ein starker Expansionsdrang aller Herrschenden. Ob dies am Geldmangel lag oder zu diesem führte, sei dahin gestellt. Gut dokumentiert und illustriert wird auch die rege Bautätigkeit der Tiroler Habsburger, die nicht selten zum Staatsbankrott beitrug.

Obwohl das Haus Habsburg manchem wie ein Monolith erscheint, war es beherrscht von Gegensätzen, die zeitweilig zum Verlust des Elsass und schließlich der schweizerischen Herkunftsländer führten. Diverse Habsburger Haus- und Eheverträge taten ihr Übriges. Tu Felix Austria? Ein Publicity Gag, sofern man genauer in die Lokalpolitik schaut.

Prock entschlüsselt für uns das ziemlich verwirrende Geflecht der Habsburger Haupt- und Nebenlinien und porträtiert jene acht Persönlichkeiten[1], die zwischen 1406 und 1665 als Landesfürsten das Land Tirol beherrschten, das in wechselnder Ausdehnung von Kufstein bis zum Gardasee reichte. Dieser Zeitraum war zugleich eine Zeit gewaltiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen, denen Prock mit großer Detailkenntnis nachgeht, etwa dem Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer, von der Spätgotik über die Renaissance bis zum frühbarocken Absolutismus, der Etablierung der fürstlichen Hofhaltung, des Kaufmannsstandes, des Fernhandels, der religiösen Umbrüche, um nur einige zu nennen. Zugleich vollzog sich in Tirol der Umzug der fürstlichen Residenz von Meran nach Innsbruck, das allerdings erst 1848 offiziell Landeshauptstadt wurde. Hervorzuheben ist der Reichtum des alpinen Gebiets an Bodenschätzen, hier vor allem Salz und Silber, und die Bedeutung als Transitland sowie als natürliches Bollwerk gegen die vordringenden Türken. All dies bestärkte wohl den Eigen- und Freiheitssinn der Bevölkerung, der sich oft auch gegen zahlreiche Reformbemühungen der Obrigkeit wandte. Gleichwohl muss man die Eliten des Landes als ausgesprochen polyglott ansehen, wenngleich allesamt aus katholischen Ländern stammend. Mit dem Aussterben der Habsburger Landesherren im Mannesstamm ging 1665 die Herrschaft an die Verwandtschaft in Wien, von wo aus Tirol fortan zentralistisch regiert wurde.

Das Vergnügen an der Lektüre wird ein wenig dadurch getrübt, dass der Darstellung etwas Schematisches anhaftet, weshalb sich das Buch insgesamt wie ein besserer Kunst-Reiseführer liest. Innsbruck und das Inntal stehen im Vordergrund. Eine detaillierte Ortskarte fehlt allerdings. Thematische Hervorhebungen und Fettdruck erleichtern das Nachschlagen. Die zahlreichen Auflistungen verdanken sich ebenfalls einer wissenschaftlichen Sehweise. Auch die Sprache wirkt in ihrer Nüchternheit eher spröde, was einen gewissen Kontrast zu den durchaus bewegten Zeiten ergibt.

 

Anmerkungen

[1] In chronologischer Reihenfolge: Friedrich IV., Sigmund der Münzreiche, Kaiser Maximilian I., Ferdinand II., Maximilian III. der Deutschmeister, Leopold V., Ferdinand Karl, Sigismund Franz

Titelbild

Anton Prock: Die Tiroler Habsburger. Politische Macht und kulturelle Blüte. 1406–1665.
Tyrolia Buchverlag, Innsbruck 2023.
247 Seiten , 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783702241421

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch