Ein letzter Abschied von Heinrich Böll
Aus Anlaß seines Buches „Frauen vor Flußlandschaft“, eines in Wahrheit nicht mehr abgeschlossenen „Romans in Dialogen und Selbstgesprächen“ (1985)
Von Marcel Reich-Ranicki
Ein zufriedener, ein glücklicher Mensch war Heinrich Böll nicht. Dabei hatte er mehr erreicht als irgendein deutscher Schriftsteller nach 1945. Weil seine Bücher in alle Sprachen der zivilisierten Welt übersetzt wurden und Millionenauflagen erzielten? Weil man ihn mit hohen und höchsten deutschen und internationalen Preisen auszeichnete und ihn mit allen denkbaren Ehrungen überhäufte? Weil er sehr viel Geld verdiente, mit dem er übrigens Unzähligen half, und zwar nicht nur Nahestehenden, sondern auch Unbekannten?
Er wußte dies alles zu schätzen. Böll war nicht einer von jenen, die den literarischen Erfolg, wenn er sich schon einstellt, als bares Mißverständnis abqualifizieren, die sich nach dem Lorbeer sehnen, ihn jedoch, wenn er ihnen zuerkannt wird, nur mit höflich-ironischer Herablassung in Empfang nehmen; die, wenn ihre Einkünfte wachsen, so gern vom schnöden Mammon reden. Gewiß war er nicht frei von allerlei Schwächen oder auch Untugenden, aber Undankbarkeit und Hochmut gehörten dazu sowenig wie Selbstgerechtigkeit und Heuchelei. Er hat seine Triumphe und die irdischen Güter, mit denen er nicht erst in seinen späten Jahren reichlich gesegnet war, nie für selbstverständlich gehalten.
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