17. Yesican unter Druck

Unsere Kampagne zur Erlangung des Rechts, unsere Lebenszeit selbst zu bestimmen, lieferte der Anticomputerbewegung neue, diesmal weniger prinzipielle als wirtschaftliche Argumente. Wie wir bereits vermutet hatten, gelang es dieser Bewegung, auch unter den Mitarbeitern der NSA Unterstützung zu finden. Das führte unter anderem zur Auswertung der Abhörungen unseres Aktionskomitees, die gesetzlich nur in Fällen von Terrorverdacht gestattet war. So erfuhr die NSA einen Sachverhalt, der noch nicht in der Geheimdatei von Robotics eingetragen war, als Yesican sie konsultierte, denn diese Datei wurde nur alle sechs Monate auf den neuesten Stand gebracht. Yesican wusste nicht, dass Monique ein und dieselbe „Person“ wie F512, die Generalsekretärin der Aktionskomitees der Denkcomputer, war, mit der er seit einigen Wochen per Internet regelmäßig Kontakt hatte. Monique war erst vor einigen Wochen in das Aktionskomitee gewählt worden, nach dem letzten Update der betreffenden Datei.

Für Nobama, den Führer der Anticomputerbewegung, die sich schon bei den Präsidentenwahlen dezidiert gegen Yesican positioniert hatte, war aber diese Information, die ihm seine NSA-Leute sofort lieferten, von kaum zu übertreffendem Wert. Sie bot ihm die Gelegenheit, Yesican der schwerwiegenden Vernachlässigung seiner Präsidentenpflichten zu bezichtigen, weil er intime Beziehungen mit einer Person hatte, die der NSA als verdächtig galt. Obwohl aus rechtlichen Gründen – das Outing eines Denkroboters war von der Verfassung der USA genauso verboten wie das eines CIA-Agenten – die Einzelheiten dieser Verfehlung nicht publik gemacht wurden, genügte das, Yesicans politische Karriere zu beenden. Man verwies sofort auf das Beispiel Willy Brandt, der sich als deutscher Bundeskanzler gezwungen sah zu demissionieren, nachdem sein persönlicher Referent Günter Guillaume als Spion enttarnt wurde. Yesican hatte keine Wahl, als diesem Beispiel zu folgen, obwohl sich Monique anders als Guillaume keines Vergehens schuldig gemacht hatte.




Aus dem Roman „Tagebuch eines Denkcomputers“ von Richard M. Weiner (Fortsetzung des 2014 erschienenen Romans „Aufstand der Denkcomputer“)