Das Bundesbuch (XXI bis XXIII)

Das Bundesbuch[1]

(XXI – XXIII)

(2. Mose XXI 22) Da sprach Jahwe zu Mose: (XXI 1) „Dies sind die Gesetze, die du den Israeliten vorlegen sollst:

Behandlung der hebräischen Sklaven. (2) Hast du einen hebräischen Sklaven gekauft, so soll er sechs Jahre dienen, im siebten aber ohne Entgelt freigelassen werden. (3) Ist er ledig gekommen, so soll er auch ledig entlassen werden; war er verheiratet, so soll seine Frau mit ihm entlassen werden. (4) Hat ihm aber sein Herr eine Frau gegeben, so soll die Frau, auch wenn sie ihm Söhne und Töchter geboren hat, samt ihren Kindern ihrem Herrn gehören; er allein soll entlassen werden. (5) Erklärt jedoch der Sklave: Ich habe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder lieb, ich will nicht freigelassen werden! (6) so soll ihn sein Herr an die Tür oder an den Türpfosten führen und ihm dort das Ohr mit einem Pfriem durchbohren; dann ist er zeitlebens sein Sklave.

Totschlag und Schlägerei. (12) Wer einen anderen totschlägt, soll getötet werden. (13) Hat er es aber nicht vorsätzlich getan, sondern hat Gott es so gefügt, so will ich eine Stätte bestimmen, wohin er fliehen kann. (14) Hat er ihn aber hinterlistig ermordet, so sollst du ihn von meinem Altar wegreißen, damit er getötet werde.

(15) Wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt, soll getötet werden.[2] (17) Wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll getötet werden. (16) Wer einen Menschen raubt und dann verkauft oder bei sich festhält, soll getötet werden.

(18) Wenn Männer miteinander in Streit geraten und einer den anderen mit einem Stein oder mit der Faust verletzt, so daß er zwar nicht stirbt, aber doch bettlägerig wird, (19) so soll, wenn er wieder aufkommt und auf seinen Stock gestützt draußen umhergehen kann, der Täter straflos bleiben; nur seinen Verdienstausfall soll er ihm vergüten und die Arztkosten zahlen. (23) Entsteht aber ein dauernder Schaden, so gilt Leben um Leben, (24) Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, (25) Brandmal um Brandmal, Wunde um Wunde, Strieme um Strieme.[3]

(20) Wer seinen Sklaven oder seine Sklavin so mit dem Stocke schlägt, daß sie ihm unter der Hand sterben, soll bestraft werden. (21) Tritt der Tod aber erst nach ein oder zwei Tagen ein, so soll er straflos bleiben; denn es ist sein Geld. (26) Wer seinem Sklaven oder seiner Sklavin ein Auge ausschlägt, soll sie für das Auge freilassen. (27) Und wer seinem Sklaven oder seiner Sklavin einen Zahn ausschlägt, soll sie für den Zahn freilassen.

Leibesschaden durch Vieh. (28) Stößt ein Stier einen Mann oder eine Frau zu Tode, so soll der Stier gesteinigt und sein Fleisch nicht gegessen werden, sein Besitzer aber straflos bleiben. (29) War der Stier schon seit längerer Zeit stößig und hatte man seinen Besitzer vergeblich gewarnt, so soll der Stier gesteinigt und auch sein Besitzer getötet werden. (30) Wird ihm aber eine Geldbuße auferlegt, so soll er als Lösegeld für sein Leben so viel zahlen, wie ihm auferlegt wird. (32) Stößt ein Stier einen Sklaven oder eine Sklavin zu Tode, so soll der Besitzer des Stiers ihrem Herrn dreißig Silberlinge zahlen; den Stier aber soll man steinigen.[4]

Fahrlässigkeit. (33) Läßt jemand eine Zisterne offen oder gräbt jemand eine Zisterne, ohne sie zuzudecken, und es fällt ein Rind oder ein Esel hinein, (34) so soll der Eigentümer der Zisterne den Besitzer des Tieres mit Geld abfinden; das tote Tier aber gehört dann ihm.

Diebstahl. (37) Wer ein Rind oder Schaf stiehlt und es schlachtet oder verkauft, soll fünf Rinder für das eine Rind und vier Schafe für das eine Schaf erstatten. (XXII 3) Findet sich aber das Gestohlene noch lebend in seinem Besitz, so braucht er es nur doppelt zu erstatten. (2b) Ersatz muß er leisten; hat er nichts, so soll er zum Preise des Gestohlenen verkauft werden. (1) Wird der Dieb beim Einbruch ertappt oder totgeschlagen, so trifft den Totschläger keine Blutschuld. (2a) Geschieht das aber nach Sonnenaufgang, so trifft ihn Blutschuld.

(6) Gibt jemand einem anderen Geld oder Kostbarkeiten in Verwahrung und wird es diesem aus dem Hause gestohlen, so soll der Dieb, wenn man ihn findet, doppelten Ersatz leisten. (7) Findet man den Dieb nicht, so soll der Besitzer des Hauses vor Gott treten und schwören, daß er sich nicht am Gute des anderen vergriffen hat. (8) Handelt es sich um Veruntreuung eines Rindes, Esels, Schafes, Mantels oder irgend einer anderen Sache, die jemand verloren zu haben vorgibt, so soll die Sache der beiden vor Gott gebracht werden; und wen dann Gott schuldig spricht, der soll dem anderen doppelt Ersatz leisten.[5]

(9) Gibt jemand einem anderen einen Esel, ein Rind, ein Schaf oder ein anderes Tier zu hüten, (11) und es wird gestohlen, so muß dieser dem Besitzer Ersatz leisten. (12) Ist es aber zerrissen worden, und kann er das Zerrissene zum Beweis vorlegen, so braucht er es nicht zu ersetzen.[6]

Verführung einer Jungfrau. (15) Wer eine Jungfrau verführt, die noch nicht verlobt ist, soll den Kaufpreis für die zahlen und sie heiraten. (16) Weigert sich aber ihr Vater, sie ihm zu geben, so soll er trotzdem den Kaufpreis zahlen.“

Erklärungen

[1] Im Winter 1901/2 wurde bei den Ausgrabungen in Susa ein Dioritblock gefunden, auf dessen Spitze dargestellt ist, wie König Hammurapi von Babel (Anfang des 2. Jahrtausends) das babylonische Recht aus dem Munde seines Gottes Marduk empfängt. In den unteren Teil des Blockes sind die Gesetze in Keilschrift eingemeißelt. Der Block hat ursprünglich sicher im Tempel des Marduk zu Babel gestanden, von wo ihn ein siegreicher Elamitenkönig in seine Hauptstadt Susa verschleppte. Mit diesem babylonischen Recht zeigt das israelische Bundesbuch viele Übereinstimmungen, was den starken Einfluß Babels auch auf diesem Gebiete beweist; vgl. folgende Proben!

[2] Kodex Hammurapi § 195: „Gesetzt, ein Kind hat seinen Vater geschlagen, so soll man ihm die Hand abschneiden.“

[3] § 206: „Gesetzt, jemand hat einen andern bei einer Schlägerei geschlagen und ihm dabei eine Verletzung zugefügt, so soll der Betreffende schwören: Absichtlich hab ich ihn nicht geschlagen. Auch soll er den Arzt bezahlen.“ § 196: „Gesetzt, jemand hat einem Patrizier ein Auge zerstört, so soll man ihm ein Auge zerstören.“ § 197: „Gesetzt, er hat jemandem einen Knochen gebrochen, so soll man ihm einen Knochen brechen.“ § 200: „Gesetzt, jemand hat einem ihm Gleichstehenden Zähne ausgeschlagen, so soll man ihm Zähne ausschlagen.“

[4] § 250: „Gesetzt, ein Stier hat jemanden so gestoßen, daß er seinen Tod verursacht hat, so entstehen daraus keine rechtlichen Ansprüche.“ § 251: „Gesetzt, jemandes Stier ist stößig und hat seinen Fehler bereits gezeigt, sein Herr aber hat ihm weder die Hörner gestutzt noch ihn fest angebunden, und dann hat der Stier einen Patrizier so gestoßen, daß er seinen Tod verursacht hat, so soll sein Herr ein halbes Pfund Silber zahlen.“

[5] § 125: „Gesetzt, jemand hat etwas ihm Gehöriges zur Aufbewahrung übergeben und dann ist es dort abhanden gekommen, so soll der Besitzer des Hauses, wenn er es durch seine Unachtsamkeit abhanden kommen ließ, es dem Eigentümer voll ersetzen.“ § 126: „Gesetzt, jemandem ist etwas ihm Gehöriges nicht abhanden gekommen, er hat aber dennoch erklärt es sei ihm anhanden gekommen, so soll er seinen angeblichen Verlust vor einem Gotte genau angeben; dann soll er das, was er beansprucht hatte, doppelt zu seinem Schaden geben.“ § 124: „Gesetzt, jemand hat einem andern etwas zur Aufbewahrung übergeben und der hat es abgestritten, so soll er ihn überführen; dann soll dieser was er abgestritten hat doppelt geben.“

[6] § 266: „Gesetzt, in einer Viehhürde ist ein Unglück geschehen oder ein Löwe hat gemordet, so soll der Hirt vor einem Gotte einen Reinigungseid leisten; dann soll der Besitzer der Hürde ihm den entstandenen Schaden erlassen.“ § 267: „Gesetzt, der Hirt ist unachtsam gewesen, so soll er den Schaden voll ersetzen.“