Pnins Bruder

Alexander McCall Smith schreibt über den legendären Professor Dr. Moritz-Maria von Igelfeld

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1957 hat Vladimir Nabokov den Roman "Pnin" veröffentlicht, der 1999 in der Übersetzung von Dieter E. Zimmer in der Nabokov-Ausgabe bei Rowohlt erschien. Hauptperson ist der liebenswerte und hoffnungslos vertrottelte Professor Pnin. Wer "Pnin" nicht kennen sollte, wird den nachfolgenden Ausführungen nur begrenzt folgen können. Wer allerdings mit dem Namen etwas anzufangen weiß, dem sei sein "Bruder im Geiste" Professor Dr. Moritz-Maria von Igelfeld, Autor der maßgeblichen Abhandlung "Unregelmäßige portugiesische Verben", ans Herz gelegt. Auch von Igelfeld legt eine gewisse Verschrobenheit an den Tag. Er ist ebenso liebenswert wie Professor Pnin, jedoch im Gegensatz zu diesem zutiefst von seiner eigenen Wichtigkeit als universitäres Wesen überzeugt. Dieses Wissen bezieht er in jede seiner Überlegungen mit ein. Der Dramatik dieser Existenz wird in dem fast 450 Seiten umfassenden Roman von Alexander McCall Smith auf den Grund gegangen.

Den Anfang der wissenschaftlichen Karriere Igelfelds markiert eine Anstellung bei Professor Dr. Dr. Dr. Dieter Vogelsang: "In den letzten Semestern vor seiner Promotion träumte von Igelfeld davon, einer der bedeutendsten Autoritäten auf dem Gebiet des Frühirischen als Assistent dienen zu dürfen. Diese Sprache, die so kompliziert und geheimnisvoll war, dass es beträchtliche Zweifel gab, ob sie überhaupt jemals gesprochen wurde, hatte deutsche Philologen schon seit dem neunzehnten Jahrhundert angezogen. Der große Professor Siegfried Ehrenwart aus Berlin, Gründer der 'Zeitschrift für keltische Philologie', hatte sein Leben der Rekonstruktion der syntaktischen Regeln der Sprache gewidmet, und eine lange Reihe von Philologen, zuletzt Professor Dr. Dr. Dr. Dieter Vogelsang, war ihm in dieser Aufgabe gefolgt. Für diesen Vogelsang nun wollte von Igelfeld arbeiten, und als der Ruf ihn ereilte, war er überglücklich." Hier kommt von Igelfeld mit "Frühirischer Pornographie" in Berührung - und irritiert den Leser nachhaltig, wenn dieser bis zu diesem Zeitpunkt die ironische Seite des Romans für sich noch nicht entdeckt hatte.

Es folgen die Stationen von von Igelfelds universitärer Laufbahn. Merkwürdige Hindernisse und "seltsame Erfolge" begleiten die berufliche Sozialisation des Protagonisten. In der Brechung von liebenswerter Personenschilderung, detaillierter Beschreibung des universitären Wertesystems und ironischer Distanz zu beiden Sujets wird ein spannungsreiches Gleichgewicht gehalten. Ist der Leser an einer Stelle über ein Problem, das von Igelfeld bewegt, verblüfft, wird er an anderer Stelle mit einer unvermuteten Lösung konfrontiert. Diese besteht denn meistens in der Verflüchtigung des Themas im "universitären Vakuum". Es ist vor allem die "reale Welt" und die Unfähigkeit, zu einer wirklichkeitsnahen Selbsteinschätzung zu gelangen, die den "Don Quichote der Universität" ins Straucheln bringt.

Möchte man wissen, wie und warum von Igelfeld aus dem geborgenen Schoß seines Instituts in eine Auseinandersetzung mit einer südamerikanischen Guerilla gerät und auch noch mit El Presidente angesprochen wird, dann sei die Lektüre nachdrücklich empfohlen. Mit einer guten Übersetzung, die die universitären Eigenheiten in Deutschland en detail berücksichtigt, ist ein Roman gelungen, der Empathie für die Hauptperson mit einer ironisch-unterhaltenden Schilderung der Universität verbindet. Es sei dem Band deshalb eine ausdrückliche Leseempfehlung mit auf den Weg gegeben. Und auch dem Leser, der "Pnin" noch nicht kennt, sei ein herausragendes Lektürevergnügen versprochen.


Titelbild

Alexander McCall Smith: Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Stegers.
Blessing Verlag, München 2007.
447 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783896672681

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