Montalbanos Gefühle

Andrea Camilleri unterhält auch mit seinem neuen Montalbano-Krimi ganz solide

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einen neuen Montalbano-Krimi zu lesen, ist ein wenig wie nach Hause zu kommen. Da sind die altbekannten Figuren: der gütige, manchmal etwas desillusionierte, manchmal auch etwas verwirrte Commissario, da ist sein Stellvertreter, der inzwischen verheiratet und mit einem Kind gesegnet ist, da ist der etwas trottelige Wachtmeister, der sich eigentlich nur mit Computern auskennt, dem aber immer die Tür aus der Hand fällt, sodass der Commissario vor Schreck fast vom Stuhl fällt. Da ist vor allem das schöne sizilianische Ambiente, das reichhaltige und köstliche Essen, da sind Sonne und Strand. Und die Frauen, die immer wieder voller Überraschungen stecken.

So geht es dem Leser auch im neuesten Roman von Camilleri: Alles ist wie immer. Montalbano hat noch immer nicht seine Dauerverlobte geheiratet, Mimi Augello kommt oft völlig übermüdet zum Dienst, weil der Kleine die ganze Nacht nicht geschlafen hat, Fazio hat immer noch die Angewohnheit, seine Berichte wie aus dem Einwohnermelderegister klingen zu lassen, Catarella knackt Passwörter und bringt ansonsten alles durcheinander.

Und auch der Fall ist wie gehabt: solide aufgebaut, mit einigen trickreichen Wendungen und ein paar Einzelheiten, die den Commissario wieder einmal sehr menschlich aussehen lassen. Denn wer könnte so einem Blick widerstehen: "Diese Augen waren wie ein blauvioletter tiefer See, in den einzutauchen und zu ertrinken jedem Mann wie etwas unendlich Schönes vorkommen musste. Im Geiste umarmte er sie zweimal und kehrte ans Ufer zurück." Etwas später sieht sie ihn noch einmal an: "Und diesmal spürte Montalbano, wie er unterging, das Wasser stieg ihm bis zum Hals." Die Schwester des Erschossenen hat diesen Blick, und deswegen macht Montalbano in seinem neuesten Fall immer wieder Fehler.

Während Camilleri in anderen Krimis sehr politisch ist, die Mafia angreift, den Staat und die Einwanderungspolitik, ist er in "Die dunkle Wahrheit des Mondes" sehr privat. Es geht vor allem um die Gefühle und sexuellen Begierden Montalbanos, der sich von gleich zwei Frauen angezogen fühlt (und von seiner Dauerverlobten, natürlich) und sogar in Gefahr ist, nachzugeben. Ansonsten muss natürlich der Mord an Angelo aufgeklärt werden, der in seiner Wohnung erschossen wurde, den Penis aus der Hose hängend. Später wird entdeckt, dass der Vertreter noch ein geheimes Konto und eine nicht ganz so geheime Geliebte gehabt hat, dass er mit Drogen handelte und dass einige hohe Herren hineingezogen werden oder schon gestorben sind.

Aber das wichtigste an vielen Montalbano-Krimis ist doch eher das Privatleben des Helden, und das ist auch im neuen Krimi wieder der Fall. Seine Gefühle, sein Appetit, seine anfallsweise Unlust zu ermitteln, seine Probleme mit den Vorgesetzten stehen im Vordergrund. Und so kann man sich in der altbekannten Montalbano-Welt wieder wohlfühlen. Selbst in diesem insgesamt doch etwas schwächeren Krimi. Man liest ihn trotzdem gerne.


Titelbild

Andrea Camilleri: Die dunkle Wahrheit des Mondes.
Übersetzt aus dem Italienischen von Moshe Kahn.
Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2007.
272 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783785716014

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