Absturz in die Barbarei - Zum 150. Geburtstag Joseph Conrads erscheint seine Novelle "Herz der Finsternis" in einem kleinen Bändchen

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"Nun hatte ich schon als kleiner Knirps eine leidenschaftliche Vorliebe für Landkarten gehabt", bemerkt der Erzähler in Joseph Conrads Novelle "Herz der Finsternis" (1902), die pünktlich zum 150. Geburtstag des Schriftstellers im Manesse Verlag als "Eine Reise ins Innere der menschlichen Seele" erschienen ist.

"Stundenlang konnte ich mir jeweils Südamerika oder Afrika oder Australien anschauen und in Gedanken die herrlichsten Entdeckungsreisen unternehmen. Damals gab es auf den Landkarten noch viele weiße Stellen, und wenn ich eine besonders verlockende sah (verlockend waren sie zwar alle), dann tupfte ich mit dem Finger drauf und sagte: 'Wenn ich einmal groß bin, fahre ich hin.'"

Später wird daraus Ernst, denn Marlow wird Kapitän auf einem Flussdampfer im Kongo und folgt der Spur des europäischen Kolonialismus auf dem "dunklen Kontinent". Hannah Arendt meinte in ihrem Buch "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" (1951), Conrads Text könne gut zur Erläuterung des "Erfahrungshintergrunds" rassistischer Ideologien herangezogen werden. In den Postcolonial Studies gilt sein Werk heute in der Tat als literarisches Beispiel für den rassistischen Blick auf das konstruierte "Andere". Der Klappentext der vorliegenden Ausgabe formuliert es in eher verklausuliertem Tonfall so: "In seinem suggestiven, symbolisch verdichteten Meisterwerk zeigt Joseph Conrad (1857-1924), welch geringen Widerstand die Kultur dem Absturz in die Barbarei entgegenzusetzen vermag." Was es damit genau auf sich hat, kann nun jeder selbst noch einmal nachlesen - "als zöge er ins Herz einer ungeheuren Finsternis", wie die letzten Worte der Novelle lauten.

J.S.


Titelbild

Joseph Conrad: Herz der Finsternis. Eine Reise ins Innere der menschlichen Seele.
Übersetzt aus dem Englischen von Fritz Güttinger.
Manesse Verlag, München 2007.
158 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783717540632

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