Von Bodenständigen und Barrikadenstürmern

Karl-Heinz Otts "Heimatkunde Baden"

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit "Ins Offene" und zuletzt mit "Endlich Stille" hat der Schriftsteller Karl-Heinz Ott, 1957 im oberschwäbischen Ehingen geboren, zwei hochgelobte Romane vorgelegt, deren Schauplätze zwischen Oberschwaben, der Schweiz und dem Elsass wechseln. Nun hat der in Freiburg lebende Preisträger des Alemannischen Literaturpreises seiner langjährigen Wahlheimat Baden eine Liebeserklärung gemacht. Ott bietet, um es gleich vorweg zu sagen, in sieben Kapiteln eine lesenswerte tour de force durch Geschichte, Geist und Gaumen eines facettenreichen Kulturgebiets, in dem seit jeher "Wohlleben und Widerstand, Gemütlichkeit und Gehorsamsverweigerung, Bodenständigkeit und Barrikadenstürmerei zusammengehören".

Die Hotzenwälder Salpeterer, die Anfang des 18. Jahrhunderts nur die höchste Obrigkeit in Staat und Kirche anerkennen wollten, wie auch 200 Jahre vor ihnen die aufständischen Bauern sich "auf alte Rechte und eine gottgewollte Ordnung beriefen, als sie gegen die Lehensherren und Pfaffen vorgingen", finden in Otts "Geschichten aus der Geschichte" ebenso ihren Platz wie die "Wyhler Anti-KKW-Demonstrationen in den siebziger Jahren" oder die Pariser Halsbandaffäre des Kardinals Rohan, der daraufhin in Ettenheim seine letzten Jahre verbringen muss. Erinnert wird auch an den Pfarrer und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob, der "alles andere als ein Vergangenheitsschwärmer" war und Entscheidendes zur "Gründung der ersten badischen Winzergenossenschaft in Hagnau" geleistet hat.

Im längsten Kapitel "Von Konstanz nach Kirschgartshausen" finden neben jener berühmten Konstanz-Passage aus Gérard de Nervals "Reise in den Orient" aus dem Jahre 1843, Annette von Droste-Hülshoff, Heinrich Suso, Johan Peter Hebel, Martin Schongauer, Hermann Kinder, Arnold Stadler und natürlich Martin Walser ebenso Eingang wie etwa Georg Groddeck, der an der Oos zum Wegbereiter der Psychosomatik wurde, oder der ehemalige Konstanzer Stadtarchivar und Zentrumspolitiker Otto Feger mit seiner 1946 publizierten "Schwäbisch-alemannischen Demokratie", die der Gründung einer "autonomen schwäbisch-alemannischen Republik" das Wort redet.

Die vielen kulinarischen Köstlichkeiten wie "Spargel, Schnecken, Sulz, Klingelberger und Malterdinger" dürfen in dieser kurzweiligen und sinnenfrohen "Heimatkunde" genauso wenig fehlen wie die diversen Gourmetadressen des Landes mit der "Ortenau als dem eigentlichen kulinarischen Paradies" oder wie ein Blick über die Grenzen ins benachbarte Elsass. Dabei weiß Ott natürlich nur zu genau, dass bei seiner subjektiven Sicht auf Land und Leute des "sonnigsten Viertel Deutschlands" vieles noch fehlt. Doch das, was Karl-Heinz Ott so leicht und mit wenigen Federstrichen aufleben lässt, ist mehr als ein gewitzt-gewiefter Appetizer, ist ein varianten- und abwechslungsreiches Sieben-Gänge-Menü - ein Geschenk, nicht nur für Festtage.


Titelbild

Karl-Heinz Ott: Heimatkunde Baden.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007.
223 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783455380248

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