Sympatisch reich sein

Martin Suters Roman "Der letzte Weynfeldt"

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Martin Suters Romane und Erzählungen sind meistens von sympathischen Figuren bevölkert. So auch sein neuer Roman "Der letzte Weynfeldt". Eben dieser Weynfeldt ist es denn auch, der einem nach und nach sympathisch wird. Und dies, obwohl er mit all seiner Höflichkeit und zelebrierten Bescheidenheit eine gewisse Arroganz des Geldes mit sich herum trägt - und darunter leidet. Adrian Weynfeldt ist ein Mitfünfziger, finanziell mehr als gut versorgt, lebt er in einer geräumigen Etage seines Geburtshauses, dessen restliche Stockwerke an ein Schweizer Bankhaus vermietet sind. Er arbeitet aus Passion als kunsthistorisch qualifizierter Gutachter für Gemälde.

Die Spannung im Handlungsverlauf gewinnt Suter durch seine weibliche Protagonistin: Lorena. Weynfeldt lernt sie in einer Bar kennen, nimmt sie mit nach Hause und steht am nächsten Morgen auf dem Balkon seiner Wohnung, von dem sich die Abendbekanntschaft in die Tiefe stürzen will. Mit Mühe gelingt es ihm, ihren Selbstmord zu verhindern. Und schon zu diesem Zeitpunkt hat der Leser das Gefühl, dass sich im Fortlauf der Handlung mit dem Einzug eines für Weynfeldt begehrenswerten weiblichen Wesens die Ruhe und Ausgeglichenheit aus diesem streng geregelten und strukturierten Alltag verflüchtigt.

Adrian Weynfeldt leistet zuerst zögernd Widerstand, setzt seine ererbten und erlernten Tugenden ein, um sein ins Rutschen geratenes Leben in der Spur zu halten: ",Die Höflichkeit der Könige' hatte dieser [Weynfeldts Vater, A. d. V.] die Pünktlichkeit genannt und sie seinem Sohn eingebleut, den er gemeinsam mit seiner Frau in dem festen Glauben erzogen hatte, zwar kein König, aber ein Weynfeldt zu sein. Was einem König sehr nahe kam."

Genau diese Tugenden besitzt Lorena nicht. Sie ist der Antipode, der Aufregung und Unordnung in den Alltag bringt: ",Warum hast du gerade mich angerufen?' Lorena überlegte lange. Dann antwortete sie: 'Weil du seit jenem Sonntag für mein Leben verantwortlich bist.'" Er rettet Lorena nicht nur vor dem Selbstmord, sondern auch aus Geldschwierigkeiten, beteiligt sich wahrscheinlich - denn der Leser wird im Unklaren gelassen - an Manipulationen bei der Versteigerung eines Bildes - und schafft es eben durch diese "Störungen", einen entspannten Lebensstil für sich zu entdecken.

Warum sollte diese auf den ersten Blick vielleicht etwas unspektakuläre Fabel die Aufmerksamkeit eines Lesers finden? Es ist ein in hervorragender Prosa geschriebenes Buch, macht aus einer einfachen Geschichte einen großartigen Roman und unterhält den Leser auf das Vorzüglichste. Und es lässt den Leser einen neuen Menschen kennenlernen: "Er stand auf, schlüpfte in seine Lederpantoffeln, zog seinen Hausmantel aus dunkelblauem Kaschmir an, ging ins Badezimmer, kämmte sich, ordnete den Kragen des Pyjamas im Ausschnitt des Hausmantels und musterte sich im Spiegel. Der letzte Weynfeldt."


Titelbild

Martin Suter: Der letzte Weynfeldt. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2008.
315 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783257861709

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