Von den Schwierigkeiten, in Tibet einen Reifen zu reparieren

Christian Y. Schmidt erzählt "witzige" Geschichten aus China

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich ist das eine gute Idee: Der Journalist Christian Y. Schmidt lebt mit seiner chinesischen Frau in China. Dass er fast nur mit Deutschen Umgang hat, auf deutschen Empfängen herumhängt, deutsche Künstler auf Vernissagen trifft, merkt er erst nach einer Weile. Also entschließt er sich, jetzt doch einmal das Land richtig kennenzulernen. Dafür will er auf der Nationalstraße 318, dem "Windknochen Chinas", von Osten nach Westen reisen, mit dem Bus von Shanghai bis zum Himalaya, über 5.000 Kilometer. Und zwar allein, damit seine Frau ihm nicht, wie sonst immer, alles abnimmt, vom Essenbestellen bis zum Fahrkartenkaufen.

Er kommt durch Xitang, in dem Szenen für den Film "Mission: Impossible III" gedreht wurden, steigt auf einen heiligen Berg der Buddhisten, erzählt in Anjing von der großen Taiping-Rebellion und einer Wäscherei. In Yingshan von der Heil-Hitler-Grüßerei und in Tibet von den Schwierigkeiten, einen Reifen zu reparieren. Sehr flott geht es bei Schmidt von Stadt zu Stadt und über das Land, überall bleibt er nur kurz, versucht, Informationen aufzuschnappen, was ihm nicht immer gelingt, versucht dann weiterzufahren, was auch nicht immer auf Anhieb klappt.

Genauso flott, wie er durch China reist, scheint er auch das Buch geschrieben zu haben. Leider. Bereits nach zwanzig Seiten merkt man, dass es dem Autoren nicht um sachliche Informationen über China geht, nicht um das Leben, auch nicht um die Atmosphäre im Land, nicht einmal um seine eigenen Gefühle. Nein, was wirklich wichtig zu sein scheint, ist, dass der Autor "witzig" ist. Über alles hat er eine Anekdote zu erzählen, über fast alles macht er sich lustig, zu fast allem gibt er leicht angestaubten und oft pubertären Humor hinzu. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Schmidt Titanic-Redakteur war - die sind schon zwangsweise "witzig".

Und so vergeht keine Seite, ohne dass er unpassende, forciert komische Kommentare abgibt, die außer ihrer "Witzigkeit" keinerlei besonderen Nährwert haben. "Ich weiß von meinen Reisen durch Südostasien, dass liegende Buddhas entweder einfach schlafen oder gerade ins Nirwana eingehen. Ich habe aber vergessen, woran man das unterscheiden kann." Das ist ungefähr das Niveau der Reiseaufzeichnungen. Als er das erste Mal Essen bestellt und tatsächlich das bekommt, was er will, schreibt er: "Na also, wie habe ich das gemacht?" Und seine Bilanz eines der ersten Tage ist: "Eigentlich stimmt nichts an Mission: Impossible III, bis auf die Fassaden. Selbst das Wetter ist gelogen. Im Film sieht man die ganze Zeit einen strahlend blauen Himmel, die gesamte Stadt wirkt klar und frisch. Tatsächlich war es heute grau, schwül und dunstig." Was das alles soll, versteht man nicht. Nur dass es sehr ärgerlich ist und eine pure Geld- und Zeitverschwendung, das ist schnell klar.


Titelbild

Christian Y. Schmidt: Allein unter 1,3 Milliarden. Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2008.
288315 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783871346026

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