Stimmungsmache

Der erste Band der Internationalen Philipp-Mainländer-Studien befasst sich mit Politik und Gesellschaft im Umkreis Arthur Schopenhauers

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eher unbekannte PhilosophInnen werden von ihren AnhängerInnen gerne dadurch ausgezeichnet, dass Lorbeerkränze, die ihnen andere, bereits renommierte ZunftgenossInnen flochten, zitiert werden. Bei Philipp Mainländer wird etwa gerne darauf verwiesen, dass Friedrich Nietzsche in einem Brief ankündigte, er wolle sich demnächst mit dem Offenbacher Pessimisten befassen. So auch im nunmehr erschienen ersten Band der "Internationalen Mainländer-Studien". Er geht auf eine im Herbst 2005 von der Schopenhauer-Gesellschaft veranstaltete Tagung mit dem Titel "Politik und Gesellschaft im Umkreis Arthur Schopenhauers" zurück. Daher widmen sich die Beitragenden nicht nur dem Namenspatron der Schriftenreihe, sondern mehr noch Arthur Schopenhauer. Matthias Koßler und Winfried H. Müller-Seyfarth haben in der Einleitung denn auch eine beiläufige Bemerkung von Karl Marx ausgegraben, in der er die Mitleidsethik des von ihm ansonsten kaum beachteten Willensmetaphysikers "gewürdigt" hat. Dabei hätte es Schopenhauer eigentlich gar nicht nötig, durch den Begründer des vermeintlich ,Wissenschaftlichen Sozialismus' aufgewertet zu werden. Und wer heutzutage der renommiertere von beiden ist, mag auch dahingestellt sein. Spätestens nach dem Zusammenbruch des 'realexistierenden Sozialismus' schmolz die Anhängerschaft von Marx jedenfalls wie Eis in der Tropensonne. Nun gibt es sicherlich auch nicht übermäßig viele bekennende Schopenhauer-AnhängerInnen. Doch "wieviel reflektierende Jünger braucht ein Philosoph denn schon auf einer Welt, mit fünf Milliarden praktizierenden Schopenhauerianern", fragte Ulrich Horstmann sich und seine LeserInnen bereits vor zwanzig Jahren mit dem ihm eigenen rhetorisch-ironischen Zungenschlag.

Demgegenüber erklären Koßler und Müller-Seyfarth, dass heute immerhin einige "Denker aus dem Umkreis Schopenhauers [...] unter dem Namen 'Schopenhauer-Schule' zusammengefasst werden". Nun mag das ja sein, doch eine Reihe Schopenhauers Philosophie aufgreifender und je auf ihre Weise modifizierender "Denker" - zu denen neben Philipp Mainländer, Eduard von Hartmann und Julius Bahnsen ja auch der Ethiker Julius Frauenstädt und der berüchtigte Kolonialist und Schwarzenschlächter Carl Peters sowie Denkerinnen wie die (allerdings wenig originelle) Olga Plümacher oder im erweiterten Umfeld die nihilistische Radikalfeministin Helene Druskowitz zählten - macht noch keine Schule aus.

Im Anschluss an das Vorwort der Herausgeber fragt Ferdinand Fellmann, ob "Schopenhauers Vision einer ewigen Gerechtigkeit noch aktuell" sei und beklagt, dass die "sozialen Institutionen wie Ehe, Familie, Kirche und Staat auseinanderfallen". Außerdem möchte er die "Gesellschaft" mit Hilfe Schopenhauers "vor Überfremdungen jeder Art schützen", ohne dabei "in einen unerträglichen Moralismus von der Art der political correctness zu verfallen".

Heinz Gerd Ingenkamp macht sich Gedanken über "Soziologisches zu Schopenhauers Ethik" und Konstantin Broese fasst einige "grundlegende Aspekte" in Schopenhauers Denken über Staat und Politik zusammen. Dirk Solies geht "pessimistische[n] Tendenzen in der Schopenhauer-Schule" nach. Er arbeitet zunächst den Unterschied zwischen Pessimismus und Nihilismus heraus und erläutert, dass dieser eine "Erkenntnis", jener hingegen eine "Stimmung" sei. In einem zweiten Schritt gräbt er nach der "vierfache[n] Wurzel des schopenhauerschen Pessimismus" und findet "den pessimistischen Nutzensummenutilitarismus", das "Mitleidmotiv", die "Destruktion des teleologischen Arguments" und die "gesellschaftspolitische Relevanz des Pessimismus". Ein letzter Abschnitt gilt dem "engagierten Pessimismus" Eduard von Hartmanns.

Erst der abschließende Beitrag wirft einen genaueren Blick auf Philipp Mainländers Philosophie. Unter dem Titel "Politik des Pessimismus - Pessimismus der Politik" versucht Michael Gerhard nachzuweisen, dass und warum die "Ansichten" des "politische[n] Staatsidealist[en]" Philipp Mainländer "gerade heute wieder hoch aktuell" sind.


Titelbild

Mathias Koßler / Winfried H. Müller-Seyfarth (Hg.): Politik und Gesellschaft im Umkreis Arthur Schopenhauers.
Königshausen & Neumann, Würzburg 2008.
84 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783826038167

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