Die expressionistische Dichterrepublik

Literarischer Geist der Utopie und seine Enttäuschung nach der Revolution von 1918

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Erste Weltkrieg und die aus ihm hervorgehende Revolution von 1918/19 haben die Literatur jenes Jahrzehnts, das in der literaturgeschichtlichen Rückschau gerne als das „expressionistische“ bezeichnet wird, maßgeblich geprägt. Oder war es umgekehrt? Prägten jene jungen Schriftsteller, die um 1910 die literarische Szene betraten und bald als expressionistische Generation bezeichnet wurden, kollektive Einschätzungen des politischen Geschehens?

Die expressionistischen Schriftsteller und ihre literarischen Figuren standen außerhalb der bürgerlichen Ordnung, rebellierten betont jugendlich gegen die Welt der Väter und aller autoritären Repräsentanten des patriarchalischen Systems. Sie brachen auf aus erstarrten, leblosen Konventionen und begaben sich, mit oft messianischem Pathos, auf die Suche nach dem neuen Menschen, nach anderen Formen sozialer Gemeinschaft, nach neuen Arten des Erlebens, der Wahrnehmung und des künstlerischen Ausdrucks.

Fast die Hälfte der expressionistischen Autoren war jüdischer Herkunft. Der expressionistische Schriftsteller Alfred Wolfenstein veröffentlichte 1922 einen umfangreichen Essay mit dem Titel „Jüdisches Wesen und neue Dichtung“ und widmete ihn dem Andenken Gustav Landauers, der 1919 in München von gegenrevolutionären deutschen Soldaten im Gefängnis ermordet worden war. In dem Essay stehen die Sätze: „Der Dichter ist der unter die Völker Verstreute; aus tieferem Grunde kommend und in höherem Sinne ortlos; der Verbannte. Er ist, heute zumal, der ungewiß Wohnende unter Fremden, – denen er sich doch glühend zugehörig fühlt. […] Ähnlich ergeht es dem Juden.“ Es sei kein Zufall, dass der Jude an der traditionellen deutschen Literatur weit weniger beteiligt war als an der neuen, der expressionistischen. „Die jüngere Generation schlug geistige Richtungen ein, mit denen sein Wesen zusammentraf, um spirituelle Dichtung zu werden.“

Der literarische Expressionismus hatte zwei Seiten, die Wolfenstein dem Judentum verwandt sah. Er war zum einen geprägt von messianischen Hoffnungen auf einen neuen, paradiesischen Zustand, zum anderen von Erfahrungen des Leidens, mit denen sich der expressionistische Dichter gerne zum Märtyrer stilisierte. Gustav Landauer, Repräsentant eines gewaltlosen, an jüdische, christliche, buddhistische und mystische Traditionen anknüpfenden Anarchismus, gab dafür das Beispiel: Er verkörperte den expressionistischen Geist der Utopie, und er gab für sie, so sah es Wolfenstein, sein Leben als Opfer hin. Nach zwei narrativen Mustern aus christlicher Tradition wurden die Ereignisse des Ersten Weltkriegs und die der Revolution mit Vorliebe erzählt, in Szene gesetzt und interpretiert: nach dem Muster der Apokalypse und dem der Passionsgeschichte.

Figuren, die ihr Leben für eine neue Gemeinschaft und die Geburt eines neuen Menschen opfern, finden sich besonders in expressionistischen Dramen in großer Zahl. In Ernst Tollers Tragödie „Masse Mensch“ will sich die revolutionäre Protagonistin nicht mit Gewalt aus dem Gefängnis befreien lassen. Sie stirbt, damit das Prinzip der Gewaltlosigkeit weiterlebt. Georg Kaisers Drama „Die Bürger von Calais“ ist ganz von der Idee getragen, dass allein die vollkommen selbstlose Bereitschaft zum Opfer des eigenen Lebens Licht in die herrschende Finsternis zu bringen vermag. Der Tod des Helden, der in diesem Drama den anderen ein Beispiel gibt, ist zugleich die Geburt des „neuen Menschen“.

Für den Expressionismus ist überhaupt die Vorstellung typisch, dass etwas Altes zugrunde gehen muss, damit etwas Neues entstehen kann. Der Weg in eine bessere Zukunft führt durch individuelle oder kollektive Katastrophen. Bezeichnend dafür sind allein schon viele Titel expressionistischer Bücher oder Buchreihen. „Tod und Auferstehung“ heißt ein Gedichtband Walter Hasenclevers. Die berühmteste expressionistische Buchreihe nannte sich „Der jüngste Tag“. Und die berühmteste Gedichtanthologie des Expressionismus hieß „Menschheitsdämmerung“. Dämmerung hatte dabei eine doppelte Bedeutung: Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, das Ende eines alten Tages und der Beginn eines neuen. In solchen Titeln artikulieren sich apokalyptische Ängste und Hoffnungen auf einen Neubeginn zugleich.

Die ‚Skripte‘, nach denen der Krieg und die Revolution beschrieben und gedeutet wurden, waren schon vor 1914 deutlich erkennbar, oft in Form von Zukunftswünschen. Im Juli 1910 hatte sich Georg Heym die später viel zitierten Sätze ins Tagebuch geschrieben: „Es ist immer das gleiche, so langweilig, langweilig, langweilig. Es geschieht nichts, nichts, nichts. Wenn doch einmal etwas geschehen wollte, was nicht diesen faden Geschmack von Alltäglichkeit hinterläßt. […] Würden einmal wieder Barrikaden gebaut. Ich wäre der erste, der sich daraufstellte, ich wollte noch mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spüren. Oder sei es auch nur, daß man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig wie eine Leimpolitur auf alten Möbeln. Was haben wir auch für eine jammervolle Regierung, einen Kaiser, der sich in jedem Zirkus als Harlekin sehen lassen könnte. Staatsmänner, die besser als Spucknapfhalter ihren Zweck erfüllten, denn als Männer, die das Vertrauen des Volkes tragen sollen.“

Georg Heyms Wünsche sollten alle bald in Erfüllung gehen. Im August 1914 brach der Weltkrieg aus, 1918 wurde der verhasste Kaiser verjagt und die Revolution ausgerufen.

Die Dichter und der Krieg

Der kollektiven Kriegsbegeisterung, die Anfang August 1914 das ganze deutsche Volk zu ergreifen schien, konnten sich auch viele Expressionisten nicht entziehen. Der als kulturrevolutionäres Ereignis, als Aufbruch und Neuanfang gefeierte Krieg schien manchen von ihnen Werte zu verwirklichen, die sie der Welt des mittlerweile über vierzigjährigen Friedens in dem Kaiserreich aggressiv entgegengestellt hatten: eine die Isolation der literarischen Intelligenz überwindende Gemeinschaft, eine die bürgerliche Erstarrung aufhebende Vitalität und eine den sozial und ethisch unverbindlichen Ästhetizismus verabschiedende politische Verantwortlichkeit. Bei den meisten Expressionisten schlug jedoch die Euphorie vom Sommer 1914 schon nach wenigen Tagen oder Monaten um in eine desillusionierte Ernüchterung und ein pazifistisches Engagement internationalen Zuschnitts.

1916 fand sich kaum mehr ein dem Expressionismus nahestehender Künstler, der mit Pro-Kriegsäußerungen an die Öffentlichkeit trat. Im Gegenteil: Die aktiven Pazifisten während des Krieges stammten zu weiten Teilen aus ihren Kreisen. Und die expressionistischen Zeitschriften wurden zum wichtigsten Forum intellektueller Kriegsgegnerschaft.

Aufgeschreckt waren die Expressionisten durch den Anblick der Verwüstungen, die der Krieg hinterließ, und durch die Kriegsopfer aus den eigenen Reihen: Zu ihnen gehörten Alfred Lichtenstein, Franz Marc, Ernst Stadler, August Stramm oder Georg Trakl. Viele flüchteten ins Schweizer Exil oder schlossen sich oppositionellen Gruppierungen an, deren Proteste gegen den Krieg seit 1917 in politische Revolutionsaufrufe einmündeten.

Die expressionistischen Aufrufe zur Erneuerung des Menschen und der Gesellschaft fielen nun zusammen mit den Appellen zur Beendigung des Krieges. Dieser wurde, apokalyptischen Mustern entsprechend, allenfalls noch als notwendiges Durchgangsstadium zu der erhofften neuen Ära des Friedens und der Mitmenschlichkeit akzeptiert. In Hasenclevers Revolutionstragödie „Antigone“ von 1917, in der die klassische Tragödienheldin zu Leitfigur des internationalen Pazifismus wird, spricht „ein Mann aus dem Volke“ die hoffnungsvollen Sätze: „Paläste wanken. Die Macht ist zu Ende. / Wer groß war, stürzt in den Abgrund, / Die Tore donnern zu. / Wer alles besaß, hat alles verloren; / Der Knecht im Schweiß seiner Hände / Ist reicher als er. / Folgt mir! Ich will euch führen. / Der Wind steigt aus den Trümmern, / Die neue Welt bricht an.“

Die leitenden, primär ethisch motivierten Ideen der intellektuellen Opposition gegen den Krieg waren Brüderlichkeit, Gemeinschaft und Gewaltlosigkeit. Die Beschwörung einer partei- und klassenübergreifenden ,Volksgemeinschaft‘, mit der Wilhelm II. im August 1914 auch die vorher staatskritischen Intellektuellen ideologiepolitisch zu integrieren verstand, wurde von den meisten bald als zu national begrenzt empfunden. Sie stellten ihr die ins Internationale ausgeweitete Utopie der Menschheitsverbrüderung gegenüber oder – etwas bescheidener und politisch konkreter – die Vorstellung eines europäischen Völkerbundes.

Der expressionistische Internationalismus hob sich bewusst ab von dem „Krieg der Geister“, in dem sich parallel zum militärischen Kampf die künstlerische und wissenschaftliche Intelligenz der kriegführenden Länder ihre Gefechte lieferte. Gerhart Hauptmann und Thomas Mann exponierten sich als geistige Repräsentanten Deutschlands. Thomas Mann, der vor dem Krieg in den Zeitschriften des Expressionismus noch mit gewisser Sympathie rechnen konnte und Beiträge in der „Aktion“ und im „Forum“ erscheinen ließ, machte sich mit seinen Kriegsessays zum bevorzugt kritisierten Autor des politischen Expressionismus. Hatte er den Krieg zum Kampf der deutschen Kultur gegen die Zivilisation Englands und vor allem Frankreichs stilisiert, so stieß er damit in den expressionistischen Zeitschriften auf entschiedene Kritik. In Absetzung von den seit Kriegsbeginn in Deutschland üblichen „Haßgesängen“ (Ernst Lissauer) auf die Feindesländer veröffentlichte das frankophile „Forum“ seit Dezember 1914 in einer gesonderten Rubrik „Dokumente der Liebe“, darunter den damals Aufsehen erregenden Aufsatz „Au-dessus de la mêlee“ des Hauptmann- und Thomas Mann-Gegenspielers Romain Rolland. In den „Weißen Blättern“ erschien im November 1915 Heinrich Manns Zola-Essay, ein gegenüber der Zensur notdürftig getarnter profranzösischer Angriff auf den wilhelminischen Staat und seine Kriegspolitik sowie auf jene Schriftsteller (besonders auf seinen Bruder), die diesen Krieg rechtfertigten.

Typisch für die Wandlung von der nationalen Kriegsbegeisterung zur internationalen Kriegsgegnerschaft und zum Pazifismus war der Werdegang Ernst Tollers. Gerade auch die jüdischen Intellektuellen sahen sich durch ihre begeisterte Teilnahme am Krieg mit einem Male in das Volk der Deutschen integriert. In seiner Autobiografie schilderte Toller eindrucksvoll die damaligen Empfindungen der Jugend in Deutschland: „Ja, wir leben in einem Rausch des Gefühls. Die Worte Deutschland, Vaterland, Krieg haben magische Kraft, wenn wir sie aussprechen, verflüchtigen sie sich nicht, sie schweben in der Luft, kreisen um sich selbst, entzünden sich und uns.“ Die Parolen des Kaisers verfehlten auch auf ihn nicht ihre Wirkung: „Der Kaiser kennt keine Parteien mehr, hier steht es schwarz auf weiß, das Land keine Rassen mehr, alle sprechen eine Sprache, alle verteidigen eine Mutter, Deutschland.“ Bald jedoch bemerkten diese jungen Schriftsteller, dass die neue Realität der Materialschlachten und das Massensterben an der Front nicht mehr mit den überlieferten Kriegs- und Heldenklischees übereinstimmten. Mit typisch expressionistischem Pathos beschreibt Toller rückblickend sein Wandlungserlebnis. Die Beschreibung ist typisch für ein drittes religiös geprägtes ‚Script‘, mit dem die Erfahrungen des Krieges und der Revolution strukturiert wurden, nämlich nach Mustern von Bekehrungsgeschichten:

Ich stehe im Graben, mit dem Pickel schürfe ich die Erde. Die stählerne Spitze bleibt hängen, ich zerre und ziehe sie mit einem Ruck heraus. An ihr hängt ein schleimiger Knoten, und wie ich mich beuge, sehe ich, es ist menschliches Gedärm. Ein toter Mensch ist hier begraben.
Ein – toter – Mensch.
[…]
Und plötzlich, als teile sich die Finsternis vom Licht, das Wort vom Sinn, erfasse ich die einfache Wahrheit Mensch, die ich vergessen hatte, die vergraben und verschüttet lag, die Gemeinsamkeit, das Eine und Einende.
Ein toter Mensch.
Nicht: Ein toter Franzose.
Nicht: Ein toter Deutscher.
Ein toter Mensch.
Alle diese Toten sind Menschen, alle diese Toten haben geatmet wie ich, alle diese Toten hatten einen Vater, eine Mutter, Frauen, die sie liebten, ein Stück Land, in dem sie wurzelten, Gesichter, die von ihren Freuden und ihren Leiden sagten, Augen, die das Licht sahen und den Himmel. In dieser Stunde weiß ich, daß ich blind war, weil ich mich geblendet hatte, in dieser Stunde weiß ich endlich, daß alle diese Toten, Franzosen und Deutsche, Brüder waren, und daß ich ihr Bruder bin.

Die expressionistische Literatur hat solche Erweckungs- und Wandlungserlebnisse in immer neuen Variationen erzählt und dramatisch in Szene gesetzt. Der Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen oder falschen, verblendeten Einstellungen vollzieht sich hier nicht in Form einer kontinuierlichen Entwicklung, sondern vielmehr als Revolution, als plötzlicher Ausbruchs- und Befreiungsakt, als psychologisch oft nicht motivierter, rational nicht fassbarer Sprung vom uneigentlichen Dasein in eine eigentliche Existenz, wie Martin Heidegger, dem Alter nach ein Angehöriger der expressionistischen Generation, es wenig später ausdrückte. Wie sehr die expressionistische Idee des neuen Menschen hierin von christlich-religiösen Denkformen geprägt ist, zeigt nicht zuletzt der predigthafte Ton, das messianische Pathos, mit dem der einzelne zum Umdenken aufgerufen wird. In den so genannten „Wandlungsdramen“ nach dem Muster von August Strindbergs „Nach Damaskus“ hat die innere Revolution der Helden den Charakter religiöser Erweckungs- und Bekehrungserlebnisse. Der Dichter Klabund sagte sich 1917 in einer „Bußpredigt“ von der früheren Begeisterung in seinen „Soldatenliedern“ los. „Vor der Erneuerung wird eine große Bekehrung kommen müssen“, schrieb Ludwig Rubiner in seiner expressionistischen Programmschrift „Die Erneuerung“. Ernst Tollers Drama mit dem bezeichnenden Titel „Die Wandlung“ ruft dementsprechend zu einer inneren Revolution auf, einer Revolutionierung des Herzens. Sie hat aller revolutionären Praxis vorauszugehen, soll diese nicht zu blindem, gewalttätigem Aktionismus verkommen.

Expressionismus und die politische Revolution

Mit dem Ende des Krieges und des hoffnungslos überalterten Kaiserreichs, das die deutsche Novemberrevolution 1918 mit einem Schlag beseitigt hatte, schien der expressionistische „Geist der Utopie“ vorübergehend Realität zu werden. In Verbindung mit der politischen Revolution und von dem Druck der Kriegszensur befreit, erreichte die kunst- und kulturrevolutionäre Bewegung 1918/19 ihren Gipfelpunkt. „Der Expressionismus, der kein Begriff mehr ist, sondern eine herrliche Wirklichkeit, findet in der beginnenden Weltrevolution seine Bestätigung.“ So warb Anfang 1919 ein Berliner Kunsthändler in einem Zeitschriftensonderheft, das sich die „Politik des Geistes“ zum Thema gewählt hatte. Das zunächst weithin ungetrübte Pathos der Revolutionsbegeisterung löste das der Kriegskritik ab. Der Expressionist René Schickele triumphierte: „Jetzt, jetzt. Endlich. Jetzt! Die neue Welt hat begonnen. Das ist sie, die befreite Menschheit!“ Mit dem Krieg sah man den apokalyptischen Zusammenbruch der alten Welt vollendet und feierte nun mit oft religiöser Emphase die Revolution als Auferstehung des neuen Menschen.

„Die ursprüngliche Aufgabe, die sich der Aktivismus in Deutschland gesetzt hatte: den Geist zu politisieren, ist erfüllt.“ Diese von Kurt Hiller 1919 in dem Prospekt zum dritten „Ziel“-Jahrbuch getroffene Feststellung konnte in zweifacher Hinsicht Gültigkeit beanspruchen: In der Flut der nun neu gegründeten Zeitschriften, aber auch in den schon bestehenden, drängten die publizistischen Stellungnahmen zum politischen Geschehen die künstlerischen Beiträge stark in den Hintergrund, und noch die wenigen dichterischen Produkte stellten sich ganz in den Dienst revolutionären Engagements. Ein extremes Beispiel hierfür lieferte eine der beiden maßgeblichen Zeitschriften des Expressionismus, „Die Aktion“, die mit der Revolution schlagartig ihr literarisches Profil verlor und fast nur noch politische Aufsätze, Aufrufe, Erklärungen und Dokumente abdruckte. Doch nicht nur ,Literaturpolitik‘ im Sinne politisch-ethischer Meinungsbildung betrieb die literarische Intelligenz, sie versuchte darüber hinaus, sich einen direkten Einfluss in der praktischen Politik zu verschaffen, die gesuchte Einheit also von Geist, Tat und Macht zu verwirklichen. „Voll Zuversicht und Hoffnung, beseelt vom Wunsche zur Mitarbeit, betritt der Schriftsteller, frei nach jahrhundertelanger Knebelung, die Schwelle der Republik. […] Wie kein anderer ist er, der Schriftsteller, berufen zur Mitarbeit am Neuaufbau des Reiches und an seiner notwendigen geistigen Erneuerung“. So bekundet Bernhard Kellermann in einem Revolutionsalmanach die Bereitschaft der literarischen Intelligenz zur konstruktiven Mitwirkung beim Aufbau des neuen Staates. Nach dem Vorbild der von der russischen Oktoberrevolution initiierten Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte bildete Kurt Hiller seinen aktivistischen ,Bund zum Ziel‘ am 10. November im Reichstag zum „(Politischen) Rat geistiger Arbeiter“ um, der die Mitarbeit in der Regierung für sich beanspruchte. Dem Berliner Beispiel folgte die Gründung ähnlicher Räte in München, Leipzig, Dresden, Hamburg, Darmstadt und anderen Städten. Bei den bildenden Künstlern hatten diese Organisationen Entsprechungen in dem „Arbeitsrat für Kunst“ unter Leitung von Walter Gropius und der „Novembergruppe“ um Max Pechstein. Der realpolitische Einfluss dieser Räte blieb freilich gering, und die Versuche zu überregionalen Zusammenschlüssen scheiterten.

Ebenfalls mit dem zum Teil gegen die Funktionäre der Arbeiterparteien gerichteten Anspruch auf eine Führungsposition der Intellektuellen setzten sich Wilhelm Herzogs „Forum“, René Schickeles „Die weißen Blätter“ und auch Carlo Mierendorffs neue Zeitschrift „Das Tribunal“ unter dem Slogan „Geistige Kämpfer aller Länder, vereinigt euch!“ für eine internationale Organisierung der Intelligenz ein. Die im Juli 1919 maßgeblich von Henri Barbusse gegründete und in Deutschland vor allem von Herzog und Schickele publizistisch unterstützte Pariser Intellektuellengruppe „Clarté“ kam diesen Zielsetzungen am nächsten.

Die „Dichterrepublik“ in München

Während sich der Eingriff des Dichters in die Politik in solchen Bemühungen weitgehend auf eine organisierte Form ideologiepolitischer Einflussnahme ohne faktische Entscheidungsbefugnisse beschränkte, waren an der Münchener Revolution, und zwar in allen Phasen, Künstler, Wissenschaftler und vor allem Schriftsteller tatsächlich führend beteiligt. Nachdem der Literat Kurt Eisner in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 mit der Bayrischen Republik den ersten revolutionären Staat in Deutschland ausgerufen hatte, nahmen im Revolutionsverlauf, mit aktiver Unterstützung oder sympathisierender Anteilnahme von Autoren wie Oskar Maria Graf, Ret Marut (alias B. Traven), Bruno Frank, Ricarda Huch, Heinrich Mann und auch Rainer Maria Rilke, vor allem Gustav Landauer, Erich Mühsam und Ernst Toller einflussreiche Positionen ein. Als zwei Wochen nach der Ermordung Eisners am 7. April 1919 die Bayrische Räterepublik ausgerufen wurde (die offizielle Proklamation ist von Landauer und Mühsam unterzeichnet), übernahm Toller den Vorsitz des Revolutionären Zentralrats und wurde damit kurzfristig zum formell mächtigsten Mann Bayerns.

In dieser anarchistischen ,Dichterrepublik‘ ging die Politisierung der Kunst mit der Ästhetisierung der Politik einher. Die unzähligen politisch agitierenden Maueranschläge und Plakate, auch manche Tageszeitungen wurden von Malern und Graphikern expressionistischer Stilrichtung gestaltet. Und selbst die politischen Erlasse und Verordnungen waren von expressionistischer Rhetorik geprägt.

,Cheftheoretiker‘ der bayerischen Revolution war der für das soziopolitische Bewusstsein des Expressionismus ungemein einflussreiche Gustav Landauer (in der Räterepublik ,Volksbeauftragter für Volksaufklärung‘). Die von ihm propagierte anarchistische Form der Revolution und des Sozialismus vereinte in sich gleichermaßen organisationspraktische, ethische, religiöse und ästhetische Elemente. Der Sozialismus seiner Vorstellung setzt schöpferische Kräfte in den Menschen frei, in ihm dränge die „in den Gestalten und Rhythmen der Kunst […] verborgene Wirklichkeit“ zur Verwirklichung. Beethovens Neunte Symphonie galt für Landauer wie auch Eisner als symbolischer Ausdruck revolutionärer Freude, der Sozialismus als ein zu schaffendes Kunstwerk: „was wir dichten, schön machen wollen, ist Praktik, ist Sozialismus, ist Bund der arbeitenden Menschen“. In diesem Sinne hatte auch Kurt Eisner in der einen Höhepunkt der ersten Revolutionsphase bildenden ,Künstlerdebatte‘ vom 3. Januar 1919 im provisorischen Nationalrat formuliert: „So sehe ich gar keinen Gegensatz, sondern nur das innerste, intimste Verhältnis zwischen Staat und Kunst. Unser klassisches Zeitalter flüchtete aus dem Reich der unmöglichen Politik in das Reich des Schönen. Daß Freiheit nur im Reich des Schönen gedeihen könnte und nicht in der Welt, war ein Dogma verzweifelter Resignation. In der heutigen Zeit und in der Zukunft scheint es mir, als ob diese Flucht in das Reich des Schönen nicht mehr notwendig sein sollte, daß die Kunst nicht mehr ein Asyl für Verzweifelte am Leben sein soll, sondern daß das Leben selbst ein Kunstwerk sein müßte und der Staat das höchste Kunstwerk.“

Revolutionäre Fraktionen

Die im Expressionismus dominierenden Vorstellungen von Revolution und Sozialismus, die denen Landauers meist sehr nahe standen, gerieten freilich mit dem realpolitischen Verlauf der Revolution zunehmend in Konflikt. Bei aller grundsätzlichen Revolutionsbereitschaft waren doch die meisten in ihrer Zahl kaum überschaubaren Manifeste und Stellungnahmen schon von Beginn an von vorsichtiger Skepsis und gelegentlich von heftiger Kritik gegenüber dem realen Geschehen geprägt. Dass die Sozialdemokraten, die in ihrer Mehrheit wegen der Bewilligung der Kriegskredite und der gewerkschaftlichen Unterstützung der Rüstungsindustrie für die literarische Linksintelligenz indiskutabel geworden waren, in Berlin nun die Führung des neuen Staates übernahmen, dass sich unter den revolutionsbegeisterten Intellektuellen viele ehemalige Kriegsapologeten, modebewusste ,Karriererevolteure‘ und verdächtig rasch der neuen Situation angepasste ,Novembersozialisten‘ hervortaten, wurde in den expressionistischen Zeitschriften immer wieder als Ärgernis artikuliert. Dass überhaupt die Revolution mehr ein Zwangsprodukt der militärischen Niederlage als das Ergebnis eines neuen Bewusstseins, mehr eine bloß institutionelle Veränderung als der von den Expressionisten geforderte „Umsturz des Geistes“ sei, solche Erwägungen gehörten zu den damaligen Topoi der kulturkritischen Revolteure. Carl Sternheims in der „Aktion“ veröffentlichte Aufsätze über „Die deutsche Revolution“ äußerten noch im November die Bedenken, dass die geistfeindliche und profitfreundliche „Verbürgerung“ der amerikanisierten deutschen Mentalität, von der gerade auch die Arbeiterschaft infiziert sei, den geistesrevolutionären Aufschwung bald lähmen könnte. Den neuen politischen Radikalismus mancher revolutionären Gruppen sieht Sternheim durch die Furcht motiviert, „es möchte mit neuen Namen und Schlagworten das alte kapitalistische Elend und Vorbereitung zu neuen Kriegen anheben“.

Franz Pfemferts „Aktion“, die ihre Leser nach der Revolution bald nicht mehr mit „Freunde“, sondern mit „Genossen“ anredete, bezog ihre Maßstäbe zur Bewertung des politischen Geschehens in Deutschland aus der bolschewistischen Revolution in Russland. Während die ihr vorausgegangene ,Februarrevolution‘ 1917 von vielen Literaten enthusiastisch begrüßt worden war, schieden sich 1918/19 am Bolschewismus die Geister. Die spätexpressionistisch-revolutionären Zeitschriften, Jahrbücher und Anthologien lassen sich sinnvoll nach dem Kriterium typisieren, ob sie ihre Vorstellungen von Revolution und Sozialismus am russischen Vorbild orientierten oder ob sie einen anarchistisch-antiautoritären, partei- und zentralismusfeindlichen, ethisch-ästhetischen Sozialismus propagierten. Ähnlich wie Pfemfert maß Ludwig Rubiner, unter anderem mit seiner Anthologie „Die Gemeinschaft“, der russischen Revolution das Gewicht bei, Anbruch „einer geistigen Weltwende“ zu sein. Dem sowjetischen Kommunismus verbunden zeigten sich auch die von Karl Orten, Julian Gumperz und (später) Wieland Herzfelde herausgegebene Zeitschrift „Der Gegner“ sowie zum Teil die im Malik Verlag erscheinenden Zeitschriften des Berliner Frühdadaismus.

Eine Zwischenposition nahm „Das Forum“ ein. Der der USPD nahe stehende Herausgeber Wilhelm Herzog nahm zwar 1919 in steigender Zahl bolschewismusfreundliche Beiträge in seine Zeitschrift auf, doch schloss er sich andererseits wiederholt der Kritik revolutionärer Gewalt an, die für die sowjetfeindliche Intellektuellengruppe charakteristisch war. Diese im Expressionismus dominierende Position vertraten besonders die von Friedrich Burschell in München herausgegebenen kurzlebigen Zeitschriften „Revolution“ und „Neue Erde“, die einer ausschließlich geistig-innerlichen Revolution das Wort redeten, das Dresdener Montagsblatt „Menschen“ (von Heinar Schilling und dem „Rat geistiger Arbeiter“ herausgegeben) und politisch konkreter die in Darmstadt von Carlo Mierendorff herausgegebenen „Hessischen Radikalen Blätter“ (Untertitel) „Das Tribunal“. Die ausführlichsten Kritiken des Bolschewismus schrieb der ebenfalls der USPD nahe stehende René Schickele in den „Weißen Blättern“, besonders in der auch als Buch erschienenen Schrift „Revolution, Bolschewismus und das Ideal. Der 9. November“ (Berlin 1919). Das schon seine Kriegskritik entscheidend prägende Postulat der Gewaltlosigkeit stand auch im Zentrum der Bewertung des revolutionären Geschehens in Russland und Deutschland. Zusammengefasst besagten seine expressionismustypischen Argumente, dass die Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse in Russland nur ihre Farbe gewechselt hätten, dass der revolutionäre Zugriff primär bei den ökonomischen und politischen Verhältnissen nur deren Dominanz gegenüber dem ,Geist‘ perpetuiere, dass die revolutionäre Verwendung der alten militaristischen Mittel keine wirklich neue Gesellschaft schaffen könne. „Ich bin Sozialist, aber wenn man mich überzeugte, daß der Sozialismus nur mit der bolschewistischen Methode zu verwirklichen sei, so würde ich, und nicht nur ich, auf seine Verwirklichung verzichten“. Und: „Die Diktatur des Proletariats aber, wie die Bolschewiki sie aufgefaßt und ausgeübt haben, das ist die Gegenrevolution innerhalb der Partei des proletarischen Ideals“. Schon im August 1918 hatte Schickele seinen viel beachteten Aufsatz „Der Konvent der Intellektuellen“ mit den Sätzen abgeschlossen:

Ich hoffe auf eine Revolution gegen die Bestie, und das kann keine Revolution sein, die die Bestie gegen die Bestie losläßt. Wer auch von den beiden siegte, es wäre immer die Bestie. Ich hoffe auf eine Revolution durch keine andere Gewalt als die der Herzen, der Überredung und des frohen Beispiels. Ich sage dir: hätten wir die paar tausend Jahre, die wir mit Massakern zugebracht haben, auf die Vorbereitung dieser einzigen, wirklichen, endgültigen Revolution verwandt, wir wären schon lange über den Berg. Einmal müssen wir Ernst machen mit der Utopie.
Heute, sag ich.
Sofort.

Ernüchterung und Verfolgung

Im November 1918 schien die Utopie einer gewaltlosen Revolution in Deutschland in Erfüllung zu gehen. Vor allem jedoch in zwei politisch bedingten Resignationsschüben wurde der utopische Elan des Expressionismus gebrochen. Der erste wurde in Berlin ausgelöst durch die bewaffneten Auseinandersetzungen im Januar 1919, die mit der Niederschlagung des Spartakusaufstands (Pfemfert, Jung und Otten waren auf Seiten der Aufständischen aktiv beteiligt) und mit der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs endeten, der zweite in München durch den Einmarsch der Truppen unter dem sozialdemokratischen Reichswehrminister Noske, die der Bayrischen Räterepublik ein blutiges Ende bereiteten. Mit der gescheiterten Revolution setzte das Ende der ihrer Hoffnungen beraubten expressionistischen Bewegung ein. Die anfängliche Revolutionsbegeisterung schlug bei den einen in Resignation um, bei anderen bewirkte sie eine sich schon vorher abzeichnende politische Radikalisierung und den proletkultischen Anschluss an die Arbeiterbewegung. Bei vielen wich der Geist der Utopie einem ernüchterten Pragmatismus. 1924 veröffentlichte der Sozialphilosoph Helmuth Plessner seine Schrift „Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen Radikalismus“. Sie ist eine Abrechung mit dem emphatischen Gemeinschaftsbegriff der Intellektuellen in dem vorangegangen Jahrzehnt und ein sozialphilosophisches Dokument jener „Verhaltenslehren der Kälte“ (Helmut Lethen), mit denen auch die Literatur der 1920er-Jahre im Namen einer „Neuen Sachlichkeit“ gegen den Expressionismus opponierte.

Das Jahr 1918 warf seine Schatten auf die zukünftige Entwicklung der deutschen Geschichte voraus. „Mit der Niederschlagung der Räterepublik“, so die Politologin und Historikerin Michaela Karl in ihren kürzlich erschienenen „Portraits einer Revolution“, „setzt in Bayern die ideologische Wende ein. Aus dem freigeistigen liberalen München wird die Hauptstadt der Bewegung.“ Den militanten und nationalkonservativen Verteidigern der alten Ordnung des Kaiserreichs stand ein in sich zersplittertes Spektrum von Gruppierungen gegenüber, die sich ihnen gegenüber langfristig nicht behaupten konnten.

Die heftigsten Gegner fand der Expressionismus noch weit über die 1910er-Jahre hinaus in den totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts, die ihn entweder als Ausdruck bürgerlicher Dekadenz oder als Phänomen der Entartung verfolgten, am brutalsten und folgenreichsten der Nationalsozialismus. 1937 arrangierten die Nationalsozialisten in München die Ausstellung „Entartete Kunst“. Ausgestellt wurden hier viele Kunstwerke auch des Expressionismus. Der deutschen Bevölkerung sollte vor Augen geführt werden, dass diese Kunstwerke Produkte von Geisteskranken, Bolschewisten und Juden waren und daher in Deutschland kein Existenzrecht hätten. Der modernen Literatur hatte man schon vier Jahre vorher den Prozess gemacht. Vor 75 Jahren, im Mai 1933, wurden in vielen deutschen Städten als Höhepunkt einer „Aktion wider den undeutschen Geist“ Zehntausende von Büchern verbrannt. Wieder waren es bevorzugt literarische Werke aus dem Umkreis des Expressionismus, die hier vernichtet wurden.

Keine Schriftstellergeneration im 20. Jahrhundert hat unter der Geschichte so sehr gelitten wie die expressionistische. Von denen, die den Ersten Weltkrieg und die Niederschlagung der Revolution überlebt hatten, wurden die meisten von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert und verfolgt, gingen nach 1933 einen Weg, der in Todeslagern, mit dem Freitod oder im lange währenden Exil endete. Die Todesdaten und Todesarten sprechen für sich. In Konzentrations- und anderen Vernichtungslagern kamen um: Erich Mühsam (1934), Paul Kornfeld (1942), Jakob van Hoddis (1942), Walter Serner. Das Leben nahmen sich: Reinhard Goering (1936 bei Jena), Ernst Toller (1939 in New York), Walter Hasenclever (1940 in Les Milles), Carl Einstein (1940 bei Pau), Alfred Wolfenstein (1945 in Paris).

Zwischen 1933 und 1945 sind etwa zwanzig weitere Autorinnen und Autoren in der Emigration beziehungsweise im Ausland gestorben, nach 1945 weit mehr. Viele von ihnen waren nach Kriegsende aus dem Exil nicht mehr zurückgekehrt. Mit der Vernichtung und Vertreibung der Juden ging in Deutschland auch die Vernichtung und Vertreibung des deutschen Expressionismus einher.

Einer der bedeutendsten Repräsentanten der expressionistischen Generation, Alfred Döblin, zog nach seiner Konversion zum Katholizismus in den Jahren seines Exils die Bilanz zu den Revolutionsereignissen von 1918/19 in Form eines großen historischen Romans mit dem Titel „November 1918“. Und noch einmal wird hier das Revolutionsgeschehen nach religiösen Mustern erzählt, als Passionsgeschichte Rosa Luxemburgs und anderer Protagonisten der Revolution. Ihr Leiden steht in Döblins Revolutionsepos für uneingelöste Hoffnungen, die sich der Nationalsozialismus zu Nutze machen und pervertieren, doch nicht gänzlich zerstören konnte.

Literaturhinweise

Wolfgang Frühwald: Kunst als Tat und Leben. Über den Anteil deutscher Schriftsteller an der Revolution in München 1918/1919. In: Sprache und Bekenntnis. Hg. v. W. Frühwald u. G. Niggl. Berlin 1971, S. 361-389.

Hansjörg Viesel (Hg.): Literaten an der Wand. Die Münchner Räterepublik und die Schriftsteller. Frankfurt a.M. 1980.

Herbert Kapfer / Carl-Ludwig Reichert: Umsturz in München. Schriftsteller erzählen die Räterepublik. München 1988.

Martin H. Geyer: Verkehrte Welt. Revolution, Inflation und Moderne. München 1914-1924. Göttingen 1998.

Thomas Anz: Literatur des Expressionismus. Stuttgart 2002. [Einige Passagen des Artikels wurden aus diesem Buch wörtlich übernommen.]

2008 erschien eine über 260 Seiten umfassende Sympathieerklärung für die Münchener Räterepublik in Form von elf Portraits ihrer Protagonisten: Kurt Eisner, Erhard Auer, die Bauernführer Ludwig Gandorfer und sein Bruder Karl, die Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann, Ernst Niekisch, Johannes Hoffmann, Erich Mühsam, Gustav Landauer, Erst Toller, Eugen Leviné und Rudolf Eglhofer. Die Autorin ist Michaela Karl, deren Biographie über Rudi Dutschke 2004 viel beachtetet und gelobt wurde. Der Epilog ihres neuen Buches skizziert, „wie das Land der Revolution zum Hort der Reaktion wurde“. Zum „Schrecken aller Traditionalisten und Konservativen“ erinnert Michaela Karl daran, dass die Bezeichnung „Freistaat Bayern“ das „Produkt einer Revolution“ ist. Bemerkenswert an dem Buch ist nicht zuletzt, dass die Verfasserin als Politologin und Historikerin an der Universität der Bundeswehr in München lehrt. Es wird so zu einem erfreulichen Zeichen für den Versuch, freiheits- und sozialfeindlichen Traditionen dort entgegenzuarbeiten, wo sie am gefährlichsten werden können.

Titelbild

Michaela Karl: Die Münchner Räterepublik. Portäts einer Revolution.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2008.
276 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783491350175

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