Drei Farben Schwarz

Joost Zwagermann erzählt penetrant von Penetrieren

Von Robert HabeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Robert Habeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Theo Altena ist Niederländisch-Lehrer an einer holländischen Schule und der Protagonist von Joost Zwagermans Roman "Die Nebenfrau". Ich-Erzählungen sind vermeintlich die einfachste Erzählform, denn sie vermitteln Authentizität und der Lesende kann sich mit dem Erzähler identifizieren. Interessanter wird es, wenn der Ich-Erzähler ein Unsympath ist, mit dem man noch nicht einmal ein Bier trinken möchte. Dann wird das vermeintlich Leichte hinterrücks zum Schwersten. Tatsächlich macht es dem Leser Theo Altena nicht leicht, ihn auf seinen Irrungen und Wirrungen durch die Amsterdamer Vororte zu begleiten. Obwohl glücklich verheiratet, beginnt er ein Verhältnis mit einer Kollegin, der schwarzhäutigen Iris. Bevor der Schlamassel richtig losgeht, Theo von seinen Schülern ertappt und nach einem Handgemenge beurlaubt wird, reflektiert er seine Skrupel. Gedanken macht sich Theo vor allem über die Umstände einer sexuellen Beziehung zwischen einem weißen Mann und einer, die sich selbst "schwarzes Mädchen" nennt. Dabei ergeht er sich, in allen Details seiner Dienstag-Nachmittag-Stands mit Iris, die man so genau gar nicht wissen wollte und legt dabei zu allem Überfluss auch noch Hand an sich. Der Lesende erfährt nicht nur manche Beobachtung bezüglich der Anatomie eines schwarzen weiblichen Körpers und wird über die Variationsbreite der Beschreibungsmöglichkeiten einer feuchten "Möse" belehrt, sondern muss sich mit Theo Altena fragen, ob es politisch korrekt sei, "ethnische Minderheiten" als Gleiche unter Gleichen zu behandeln, obwohl sie doch eigentlich gar nicht gleich, sondern ganz anders sein wollten. Das klingt nicht nur sehr anstrengend, es ist auch so. Zwagermans Buch liest sich sowohl wie ein Leserbrief im Playboy, als auch wie Habermas für Fortgeschrittene.

Aber selbst das völlige Fehlen von Komik und jeglichem ironischen Abstand zu sich und seinen pubertären Allüren könnte man dem Ich-Erzähler noch verzeihen, nicht aber die dreimalige Wiederholung, dass Iris in diesem Buch nur Iris heißt, weil ihre Haut so wunderbar irisierend ist. Das überschreitet die Grenze zwischen Erzähler und Autor. Es kommt der Verdacht auf, dass man die ganze Zeit nicht Teil einer Erzählstrategie war, die den Leser in die Widersprüche seines eigenen kleinen Rassismus zu verwickeln sucht, sondern der Stimme eines Autors gelauscht hat, der einfach nur penetrant ist.

Titelbild

Joost Zwagerman: Die Nebenfrau. Roman. Aus d. Niederländ. v. Rolf Erdorf.
Picus Verlag, Wien 2000.
276 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3854524358

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch