Zahlen oder zuliefern

Für Online-Buchhändler sind redaktionell gearbeitete Themen- oder Autorenpakete die Gelegenheit, sich von der Konkurrenz abzuheben. Doch was auf ihren Websites groß herauskommt, bestimmen die Verlage

Von Carolin SachseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Carolin Sachse

Aktuelle Studien belegen: Bücher lesen ist im Abwärtstrend. Längst haben Fernseher und Computer den ‚dicken Schinken‘ im Ledereinband den Rang abgelaufen: Die Zahl der Nichtleser steigt, und immer mehr Menschen lesen Texte nun auch vollständig am Bildschirm. Die Beliebtheit des Internets steigt stetig, und die Bedeutung des digitalen Mediums im alltäglichen Gebrauch wächst kontinuierlich. Wer heute also Bücher verkaufen will, sollte es dort tun, wo alle hinschauen – im Internet.

Tatsächlich bietet sich im World Wide Web eine Fülle an Buchhandelsseiten, die man zum Teil bereits von den stationären Buchhandelsketten her kennt: Ob Hugendubel, Thalia oder Weltbild – alle findet man sie im Internet wieder. Und alle ähneln sie einander in Aufbau und Inhalt. Wer auffallen möchte, muss jedoch originell sein, und wer Bücher nicht nur präsentieren, sondern auch verkaufen will, muss Einfallsreichtum beweisen – zumal das Angebot an lieferbaren Büchern dank der Großlieferanten Libri und KNV bei allen Seiten praktisch dasselbe ist.

Abgekauft oder ausgewählt

Die Suchmaschine, mit der man Titel und Autoren recherchieren kann, ist der Kern, die Pflicht jeder Internet-Buchhandlung. Die Kür ist für sie, ihre Kunden auf einzelne Bücher, Autoren und Themen aufmerksam zu machen. Die Kriterien für eine solche Auswahl variieren im Detail, gerade bei den großen Anbietern werden sie sich jedoch insgesamt ähneln. Bei Libri beispielsweise sollte das Buch neu erschienen oder bereits ein Bestseller sein. Kathrin Claußnitzer, Produktmanagerin für Buch und Medien bei Libri, verrät außerdem, dass einige Titel auch beworben werden, weil Kooperationen mit bestimmten Verlagen bestehen. Der Werbekostenzuschuss, den sich die großen stationären Buchhandlungen nicht nur für die Präsentation in ihren Werbemitteln von den Verlagen zahlen lassen, sondern auch für die prominente Plazierung der Titel als Stapelware im Eingangs- oder Kassenbereich, hat also seinen Weg ins Internet gefunden. Dennoch sollten, wie Claußnitzer erläutert, Thema und Aktualität bei der Auswahl stimmen – und letztendlich können auch persönliche Vorlieben der Redaktion eine Rolle bei der Auswahl der Titel spielen.

Während man vor Ort in den Buchhandlungen versucht, Bücher zu präsentieren, indem man sie im Laden gesondert positioniert oder Aufsteller verwendet, stehen den virtuellen Buchhändlern andere Möglichkeiten zur Verfügung: Immer beliebter werden die bereits erwähnten Spezial-Kategorien; neben den Themen-Specials vor allem die sogenannten Autoren-Specials, die ganz unterschiedlich geartet sein können. So gibt es beispielsweise Autorenvideos, in denen die Verfasser ihre Bücher selbst präsentieren, oder Rubriken namens ‚Autor des Monats‘, bei dem ein bestimmter Autor mit seinem Werk vorgestellt wird. Nicht zuletzt werden auch Buchempfehlungen geboten – entweder von der Redaktion der jeweiligen Buchhandelsseite oder von einem der stationären Buchhändler.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Ein Blick über den deutschen Tellerrand hinaus verrät jedoch, dass damit die Mittel für die virtuelle Bücherwerbung noch lange nicht ausgeschöpft sind: Die amerikanische Buchhandelskette Barnes and Noble etwa nutzt die multimediale Vielfalt im Internet, um Bücher einem interessierten Publikum näherzubringen, sei es mit Videotrailern, regelmäßig erscheinenden Blogs bibliophiler Buchhändler oder gar eigens gestalteten Seiten allein für bestimmte Autoren – dem amerikanischen Großbuchhändler ist kein Aufwand zu groß. Das Land, in dem es keine feste Buchpreisbindung gibt, zeigt deutschen Buchhändlern, wo sie werbetechnisch noch aufholen können. „Im Prinzip wäre ein solcher Aufwand, wie es Barnes and Noble betreibt, natürlich auch für uns vorstellbar, und es hat sich im Laufe der letzten Jahre in dieser Richtung auch schon einiges geändert“, offenbart Claußnitzer. Doch sie räumt ein: „Ganz sicher aber ist der englischsprachige Buchmarkt werbemäßig dem deutschen um einiges voraus. Und wir sind in der Beziehung keine Speerspitze der Innovation, sondern nutzen das, was uns die Verlage liefern.“ Barbara Tetzlaff, Internet-Redakteurin bei buchkatalog.de, hält den Trend zu mehr Medienvielfalt ebenfalls für unabdingbar. So wird die Internet-Seite www.buchkatalog.de demnächst überarbeitet werden, und Tetzlaff verrät hierzu: „Wir streben mit dem Relaunch mehr und bessere Möglichkeiten zur Präsentation von Büchern und Medien an.“

Auf der Trend-Welle

Der Aufwand scheint sich also für Buchhändler zu lohnen. Laut Claußnitzer sind Buchtitel, die weiter oben auf einer Trefferliste oder in einer Kategorie erscheinen, auch erfolgreicher in den Verkaufszahlen. Ein Buch mit Videotrailern und Leseempfehlungen in einem Videoblog zu bewerben, macht es also vielleicht nicht direkt zu einem Bestseller, aber es wird auch nicht zu einem ‚Ladenhüter‘. Der Trend, Bücher kurz und prägnant in unterhaltsamen Medien vorzustellen, kommt der allgemeinen Mode in Deutschland, das Internet für Recherchen aller Art und zum Vergnügen in der Freizeit zu nutzen, sehr entgegen. Als einen Aufwärtstrend in der Studie ‚Lesen in Deutschland 2008‘ wurde auch das tägliche Lesen in kleinen Happen benannt – Auszüge aus Büchern online zu präsentieren, ist also auch keine schlechte Werbemaßnahme.

Dennoch scheint damit die Zeit für beispielsweise einen Durchbruch der E-Books noch nicht reif zu sein: Ein weiteres Ergebnis der Studien lautet, dass die Mehrheit der Deutschen gegenüber den digitalen Büchern noch immer die ‚dicken Schinken‘ in Ledereinbänden bevorzugt. Noch lohnt es sich also für Literaturhändler, sich Gedanken über (Internet-)Werbung von Büchern zu machen. Letztlich fallen im diffusen World Wide Web die bibliophil gestalteten Seiten auch auf, und für einen Moment vergisst man darüber das grundlegende Anliegen der Händler, ihre Ware zu verkaufen – und das ist die beste Werbung.