Merkwürdiger Veröffentlichungszwang
Eine kurze Sichtung der Book-on-demand-Landschaft zur Wiener Moderne
Von André Schwarz
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseBlättert man gelegentlich in den Vorschauen, um herauszufinden, was sich in seinem Forschungsgebiet so getan hat im letzten halben Jahr, so stößt man unweigerlich neben den Veröffentlichungen renommierter Verlage auch auf zahlreiche Book-on-demand-Angebote. Möglicherweise ist dabei auch einmal die eine oder andere Perle zu finden – bei den meisten Publikationen findet man aber doch schnell Erklärungen für das Nichterscheinen der Werke bei „richtigen“ Verlagen. Besonders hervorgetan hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren der ominöse Grin-Verlag, der anscheinend alles veröffentlicht, was er angeboten bekommt. Ein Lektorat findet nicht statt, die Texte werden so abgedruckt, wie sie angeliefert werden. Egal ob Seminar- oder Abschlussarbeit, wissenschaftliche Studien oder haltlose Pamphlete, alles findet sich im „Programm“ des Verlags wieder. Die Preisgestaltung orientiert sich dabei angeblich an der Qualität der Werke, die meisten Arbeiten machen aber nicht gerade den Eindruck, als sei die Note irgendwie entscheidend gewesen. Zudem ist der Betreiber des Verlages der gleiche wie bei der ebenfalls umstrittenen Seite hausarbeiten.de, bei der sich die Studenten unter dem Schlagwort der vorgeblichen „Intertextualität“ (Hegemann lässt grüßen) ganz gerne bedienen.
Die meisten dieser Book-on-demand-Geschichten scheinen sich über das Ego und den Veröffentlichungsdrang der Autoren zu finanzieren, denn nur so lässt sich der Boom solcher Publikationen erklären. Eine davon ist die von Barbara Schölzhorn verfasste Studie „Ehrenkomödie im Angesicht des Todes“ über das „Duell bei Arthur Schnitzler“. Inhaltlich ist die Untersuchung einigermaßen solide, die Ausführungen zur sozialen und zur historischen Bedeutung des Duells und zum Ehrbegriff in der k. u. k.-Armee sind informativ und ordentlich belegt. Und doch schmälert ein unangebrachter Plauderton, so manche unbedarfte sprachliche Peinlichkeit und beträchtliche begriffliche Unschärfen den wissenschaftlichen Wert des Buches ganz erheblich. Da werden weitschweifig biografische Details ausgebreitet, der Kern des Problems bleibt dabei aber vage. Die Trennung zwischen Autor und Erzähler ist schwammig, zwischen den beiden scheint die Verfasserin auf den 200 Seiten des Buches keinen großen Unterschied zu machen. Und die im Anhang aufgeführte Liste der gebräuchlichsten Formulierungen zum Themenkomplex „Duell“ hat eher den Charakter einer Fleißarbeit als den einer „Bereicherung der Forschungsliteratur zu Schnitzler“, wie der Klappentext vollmundig ankündigt.
Noch fragwürdiger wird das Ganze, wenn Seminararbeiten in Umlauf gebracht werden, mit denen Studierende selbst im Mittelseminar nur mit viel Nachsicht bestehen könnten. Um eine solche Arbeit handelt es sich bei Dietlinde Schmalfuß-Pflichts Untersuchung über Richard Beer-Hofmanns „Der Tod Georgs“, die auf knapp 25 Seiten ergründen möchte, ob es sich bei diesem um einen „Roman des Jugendstils“ handelt. Da wimmelt es von Vermutungen, von „meiner Meinung nach“-Passagen, in denen die Verfasserin alles Mögliche „glaubt“, aber eben nicht weiß beziehungsweise belegt. Inhaltlich bleibt man schön an der Oberfläche und flüchtet bei Deutungsversuchen ins Unbestimmte. „Ob Beer-Hofmann von vornherein eine solche Wendung beabsichtigte […] oder ob er im Verlauf der Entstehung dieses Werkes seine Haltung geändert hat, vermag ich nicht zu sagen“, so die Verfasserin. Was für ein Fazit – und bezeichnend für einen großen Teil der egostreichelnden „Veröffentlichungen“ im Book-on-demand-Bereich.