Lyrik der Stille

„Herzschlag“ versammelt Liebesgedichte von Walter Helmut Fritz aus einem halben Jahrhundert

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Walter Helmut Fritz gilt als Lyriker der Stille. Mit dem Gedichtband „Herzschlag“ wurden 2008 seine Liebesgedichte von 1958 bis 2007 vereint und chronologisch abgedruckt. Er lädt zum Verweilen im Augenblick ein, „damit die Zeit / eine Pause hat“: Die ersten Strahlen der Sonne an einem reglosen Tagesbeginn, wenn sich die Sommersonne einem „schwebenden, / leichten Feuer“ gleich über den Horizont schiebt, wärmen in seinen Gedichten. Lautlos ist die „Kleine Bewegung / deiner Hand, / kleine Wanderung / deiner Hand / durch die sommerliche Luft“. Nur die Spatzen sind zu hören.

Fritz operiert mit wenigen Wörtern, doch diese überreden, inne zu halten: „August, / der die Minuten verschmilzt / und sie überredet / zu bleiben“. Hierzu braucht er keine wilden Neologismen und zieht keine hektischen Fratzen sinnloser Verfremdung. Leise Töne und heiter-elegische Gefühle werden in lakonische Wörter und genau gesetzte, zielsichere Kollokationen verwandelt – ohne falsche Erhöhung oder künstliche Verschleierung. Fritz experimentiert nicht. Wie lächelnd erklärt er: „Es ist die Linie deines Gesichts, / sie ist da, / ich muß sie nicht erfinden.“ Doch es ist mehr als die Linie des Gesichts der Geliebten, die in den Gedichten skizziert wird. Die Stärke der Gedichte ist die präzise Weltwahrnehmung.

Fritz sieht seine Frau, rote Strümpfe, Erdbeeren, das Lachen, die Schönheit, „die Fortdauer des Glücks“. So entstand mit der Sammlung von Liebesgedichten aus mehreren Jahrzehnten das wohl diskreteste Credo für eine Beziehung von Mann und Frau, „deren Liebe die Jahre zusammenhält“, das sich erdenken lässt. Fritz lässt uns teilhaben an seinen Erfahrungen. Der Leser erlebt Liebe ohne Wildheit und Sturm und Drang bei gleichzeitiger „Gegenwart der Begierde“. Die Gedichte zeichnen sich durch ihre Wahrnehmung von unscheinbaren Dingen, an denen die Liebe aufscheint, und ihre Offenheit für die alltäglichen Erscheinungsformen der Liebe aus.

Liebe ist bei Fritz keine Himmelsmacht, nicht einmal ein Rausch. Sie muss „erzeugt, erfahren und gehütet werden“, schreibt Michael Krüger in seinem Vorwort zu dem Gedichtband. Schließlich praktiziere Fritz die Kraft der Verwandlung, die der Liebe innewohnt; der Dichter könne sich an seiner Geliebten nicht satt sehen, die die Welt für ihn erst eigentlich bewohnbar macht.

40 Jahre lebte der Dichter in einem Hochhaus in der Karlsruher Waldstadt am Hardtwald. In der Literaturszene war er stets zurückhaltend präsent. Selten gab er Interviews. Seine Stärke ist nicht die Öffentlichkeit, seine Stärke ist die Stetigkeit, mit der er für ein kleines Publikum schreibt. Inzwischen ist Fritz schwer erkrankt. Die Gedichte für die „Herzschlag“-Sammlung wählte er nicht mehr selbst aus. Matthias Kußmann, ein Karlsruher Literaturwissenschaftler, der Fritz seit vielen Jahren begleitet, hat den vorliegenden Gedichtband 2008 (im Vorfeld der Gesamtausgabe des Werkes des Walter Helmut Fritz anlässlich des 80. Geburtstags des Lyrikers im Jahr 2009) zusammengestellt und herausgegeben.

Kußmann hat es geschafft, zu beweisen, dass Fritz über fünf Jahrzehnte seinen Tonfall unabhängig von jeder literarischen Mode bewahrt hat. Die Schönheit der immer wiederkehrenden Meeresmetaphorik, der mediterranen Landschaften, der Beobachtungen, der zeitlosen Liebe – diese schlichte Eindringlichkeit der Gedichte ist ergreifend. Michael Krüger erhebt den Gedichtband gar zum „Lehrbuch über die Liebe, eines der schönsten, das sich denken lässt.“ Fritz ist ein bedeutender deutscher Lyriker, der das Überzeitliche, die stille Liebe, im Beiläufigen findet.

Titelbild

Walter Helmut Fritz: Herzschlag. Die Liebesgedichte.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008.
118 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783455401370

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch