Leichte Schwere

Über Stephanie Catanis und Friedhelm Marx’ Einführung in das Werk John von Düffels

Von Meike BlatzheimRSS-Newsfeed neuer Artikel von Meike Blatzheim

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein bisschen haftet John von Düffel der Ruf des Wunderkindes an. Eine Dissertation mit dreiundzwanzig, die schriftstellerische Karriere Seite an Seite mit fast schon exzessivem Schwimmtraining und der Arbeit als Dramaturg, zuletzt am Hamburger Thalia-Theater, derzeit am Deutschen Theater in Berlin. Sein Roman „Houwelandt“, der ihn 2004 der breiten Öffentlichkeit bekannt machte, war das erste Buch, dessen Entstehung in einem Film dokumentiert wurde, viel las man seither über seine Person.

Der Band „Familien Erzählen“ nähert sich von Düffel aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. der literaturwissenschaftlichen. Zwölf Texte versammeln Stephanie Catani und Friedhelm Marx in ihrem Buch; Ergebnis einer Tagung der Universität Bamberg zum Abschluss der Poetikprofessur 2008. Der Titel ist dabei ein wenig irreführend, denn es handelt sich keineswegs einzig um eine Auseinandersetzung mit Familie, Familienbildern und Familienmodellen in John von Düffels Texten. So betrachten beispielsweise Matteo Galli und Norbert Otto Enke in ihren Beiträgen die RAF-Texte von Düffels, während andere Aufsätze das Motiv des Schwimmens oder der (Körper-)Kunst beleuchten. Eingerahmt werden diese Beiträge durch einen kurzen Essay des Autors selbst sowie von einem Interview am Ende des Tagungsbandes. Zur Auflockerung trägt auch der Werkstattbericht Jörg Adolphs und Anja Pohls bei, die von der Entstehung des Dokumentarfilms zu „Houwelandt“ berichten.

Den Blick über den Tellerrand scheuen die Beiträger dabei nicht. Der Vergleich von „Houwelandt“ mit den „Buddenbrooks“, den Michael Scheffel zieht, bietet sich an und ist in diversen Kritiken vollzogen worden. Christof Hamann betrachtet neben „Houwelandt“ Arno Geigers Erfolgsroman „Es geht uns gut“ und beschäftigt sich mit Grenzen und Grenzverletzungen in beiden Texten. Der weiter reichende Blick deutet sich auch durch die Einordnung in die neue Reihe „Poiesis. Standpunkte zur Gegenwartsliteratur“ des Wallstein Verlags an: „Familien Erzählen“ steht hier in einer Reihe mit Tagungsbänden zu den Werken Uwe Timms, Hanns-Josef Ortheils, Ulrike Draesners und Helmut Kraussers.

„Das ist mein Ehrgeiz: aus dem Schweren etwas Leichtes zu machen“, sagt John von Düffel im den Band beschließenden Autoreninterview. Und auch die Literaturwissenschaft präsentiert sich hier nicht nur auf der Höhe der Gegenwartsliteratur, sondern ist stilistisch weit davon entfernt, mit Schwere zu erschlagen – ohne dabei die Komplexität des literarischen Werks zu unterschlagen. Wer einen Einstieg in die (wissenschaftliche) Beschäftigung mit dem Werk von Düffels sucht, ist mit „Familien Erzählen“ gut beraten.

Titelbild

Stephanie Catani / Friedhelm Marx (Hg.): Familien Erzählen. Das literarische Werk John von Düffels.
Wallstein Verlag, Göttingen 2010.
214 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783835306110

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