Prätentiöse Seifenblasen

Christian Lipperheide zum Erhabenen bei Nietzsche

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwar thront das Erhaben unendlich hoch über dem Abgrund des Lächerlichen, doch genügt ein kleiner Schritt, um über die Klippe in die Tiefe zu stürzen. Ähnlich leicht zerplatzen schillernd durch einen aufgeplusterten Philosophenjargon schwebende Seifenblase eines prätentiösen Stils. Hin und wieder vernimmt man dieses leise Plop bei der Lektüre von Christian Lipperheides Untersuchung zur "Ästhetik des Erhabenen bei Nietzsche". Etwa, wenn er sinnlose und kaputte Sätze produziert wie: "Im Heideggerschen Verständnis vollzieht sich die durch den Willen zur des Nihilismus geleitete Umdrehung des Platonismus in der Abwertung des Vorrangs des Übersinnlichen als des Ideals und in der Bestimmung des Sinnlichen als 'wahrhaft Seiendes' zum Ausgangspunkt für die 'Neugründung des Daseins.'"

Lipperheides Thema ist das Erhabene bei Nietzsche. Ihm fühlt er sich offenbar verbunden und folgt der "Spur des Erhabenen [...] durch die verschiedenen Schaffensperioden seines Werkes" von der "Geburt der Tragödie" an, deren "Negation philosophisch-rationalistischer Diskursivität" er lobt. Bereits im "Zarathustra" erhebe Nietzsche sich über das Erhabene, indem er es verlacht und ironisiert. Doch erst "Nietzsches Distanzierung von Wagners Musik-Theorie" stelle einen besonderen Wendepunkt dar. Hier vollziehe sich die "Umwertung des Erhabenen [...] innerhalb seiner Ästhetik des Stils als Kritik des Transzendenten". Schließlich führe seine "implizite Ästhetik des Erhabenen" zur "Dekonstruktion der platonischen Metaphysik" und münde in der "Kritik am metaphysisch Erhabenen". Diese, so der Autor, sei zum "Vorläufer eines kritisch Erhabenen" der Ästhetik der Postmoderne geworden.

Zwar schreibt Lipperheide zu Recht, Nietzsches "Entwicklung der Begriffe des Apollinischen und des Dionysischen" sei "inkonsistent gekoppelt mit denen des Rausches, des Scheins, des Erhabenen und Schönen". Und zutreffend ist auch die Bemerkung: "Bedeutungsebenen springen von Satz zu Satz - die Formulierung stört sich um Widersprüche nicht." Doch weiß man nicht so recht, ob das kritisch oder anerkennend gemeint ist. Wohl doch eher anerkennend. Zumindest gelangen, wie der Autor meint, "die inkongruent sich überlagernden Grundaporien" Nietzsches "in einer ästhetischen Grundstimmung zur Einheit". Letztlich aber sieht er Nietzsche dennoch gescheitert. Allerdings nicht theoretisch, nicht philosophisch, nicht intellektuell, sondern an "Mitleid" und "Krankheit".

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Christian Lipperheide: Die Ästhetik des Erhabenen bei Friedrich Nietzsche. Die Verwindung der Metaphysik der Erhabenheit.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 1999.
90 Seiten, 13,30 EUR.
ISBN-10: 3826014804

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