Auf der Suche nach der wahren Liebe

Eine "anonyme” Geschichte über die Annäherungsversuche zweier Liebender

Von Katrin HagedornRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katrin Hagedorn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine Frau. Ein Mann. Ein Hund. Der Name der Frau ist unbekannt. Der Name des Herrn ebenfalls. Der Hund heisst, wie sollte es anders sein, "Anonymus". Und dann ist da noch die Liebe.

Es ist die Geschichte zweier Menschen, die ein gemeinsames Schicksal teilen: Sie beide haben schon die magische Altersgrenze von dreissig Jahren überschritten, sind aber immer noch Singles. Und das in einem Land wie Israel, wo der Familie eine ganz besondere Bedeutung beigemessen wird, sie nicht zuletzt ein Lebensziel ist. Das Leben der beiden ist ein schwankendes Schiff. Geniessen sie auf der einen Seite ihre Unabhängigkeit, so schauen sie doch mit neidischen Blicken auf die glücklichen Paare in ihrem Freundeskreis, die manches Mal schon mit dem Kinderwagen spazierengehen. So wird die Suche nach der großen Liebe zum richtigen Zwang. Bei einem "blind date" treffen die Frau und der Mann, deren Namen uns gänzlich unbekannt bleiben, zum ersten Mal aufeinander. Als der Mann die Frau nach Hause bringt, läuft ihnen vor der Haustür ein streunender Welpe in die Arme. Die Frau lädt den Mann ein, noch kurz mit in ihre Wohnung zu kommen, der Hund, ebenfalls völlig allein, darf auch mit. Doch, wie es das Schicksal so will, bleiben sowohl der Mann als auch der Hund über Nacht - die Fortsetzung ist bekannt, so denkt man. Doch es bleibt nicht bei der typischen ersten Nacht: Dieser Abend ist der Anfang einer Beziehung, den weder die Frau noch der Mann bewusst wahrnehmen.

Alles entwickelt sich ganz langsam. Nicht nur die Beziehung, nicht nur die Ereignisse, auch die Sprache ist gleichmässig und gelassen, alles andere als rasant. Ein unbemerktes Sich-näher-Kommen wird erst zu einem Nebeneinander der beiden Welten, bis es sich zum Miteinander entwickelt. Dabei achtet die Autorin Yael Hedaya besonders auf ihr Erzähltempo. Die allmähliche Entwicklung der Liebe wird nicht von Worten oder Inhalten überrannt. Sie gibt nur so viel preis, wie die beiden Verliebten sich anzunähern bereit sind - langsam und kaum spürbar.

Neben den gemeinsamen Stunden sind es auch die persönlichen Gegenstände des Mannes, die nach und nach in die Wohnung der Frau gelangen und unbemerkt ins Regal wandern. Und zwischen all diesen Annäherungsversuchen der beiden Frischverliebten springt der Hund durch die Wohnung, glücklich, ein neues Zuhause gefunden zu haben. Er ist das Symbol dieser neuen Beziehung. Ebenso unverhofft hat er jemanden gefunden, der sich um ihn kümmert. Er ist Teil einer kleinen Einheit geworden, die es kurz zuvor noch nicht gegeben hat. Der Umgang ist behutsam, es fallen kaum Worte, und eine eindeutige Aussage über die neue Entwicklung wird gar nicht erst gemacht. Die Enttäuschungen aus gescheiterten Beziehungen der vergangenen Jahre sitzen auf beiden Seiten noch tief.

"Eine gnadenlose Geschichte", so steht es auf dem Buchrücken. Sie ist nicht nur gnadenlos im Umgang mit den Verliebten, gnadenlos in der Darstellung der vielen Probleme des Alltagslebens, sondern leider auch gnadenlos mit dem Leser. Nicht nur die bewusst geschaffene Distanz zu den Personen ruft Langeweile hervor. Es sind auch die unspektakulären Kleinigkeiten, die jeden Fluss stocken lassen. Es passiert nichts, und auch dieses Nichts ist nicht spannend genug. Mitunter sind die dargestellten Gegenstände und Ereignisse so banal, dass man die eigentliche Geschichte aus den Augen verliert. Ist es eine Liebesgeschichte oder nur eine Beobachtung des alltäglichen Lebens zweier Menschen? Und warum wird dem Hund eine so gewichtige Rolle zuteil? Vieles bleibt unmotiviert, da die Autorin einiges in aller Ausführlichkeit beschreibt, anderes überspringt und dem Leser wichtige Informationen vorenthält.

Es ist eine kleine Geschichte, deren Idee der distanzierenden und mitunter auch polemisierenden Erzählweise gute Ansätze verfolgt, sie jedoch nicht immer konsequent durchhält. Fast verliert Yael den Blick für die beiden Liebenden und ihre unausgesprochene Liebe. Die Ansätze sind erkennbar, doch die Durchführung scheitert an den kleinen Details und den dargestellten Unwichtigkeiten. "Liebe pur" verspricht der Titel, das Buch behandelt das Thema vielleicht zu wenig "pur". Es ist einfach nicht intensiv genug für dieses unerschöpfliche und unergründliche Thema.

Titelbild

Yael Hedaya: Liebe pur.
Diogenes Verlag, Zürich 2000.
209 Seiten, 15,30 EUR.
ISBN-10: 3257062370

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