Steirerblut ist kein Himbeersaft

Claudia Rossbachers Alpen-Krimi bietet solide Kost für Genrefreunde

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sagen wir es gleich vorweg: „Steirerblut“ ist beileibe nicht das „Highlight deutschsprachiger Krimiunterhaltung“, als das der Roman von den Marketingexperten des Gmeiner-Verlags angepriesen wird. Da gibt es Besseres – nicht zuletzt von ein paar Landsmännern und -frauen der Wienerin Claudia Rossbacher. Das Buch gehört aber auch nicht zu jenen üppig wuchernden Genreblüten, nach deren Lektüre man sich am liebsten bekreuzigen möchte, ehe man scheppernd den Deckel der Mülltonne, die einem zum Büchergrab dient, wieder zuwirft. Nein, der erste Roman um die Grazer Ermittlerin Sandra Mohr kommt erst einmal ins Regal. Zumindest so lange, bis sich am Nachfolger überprüfen lässt, wie tragfähig das ist, was die bekennende Steiermark-Liebhaberin mit Model- und Werbetexterinnenvergangenheit hier vorgelegt hat.

„Wo die Gemse keck von der Felswand springt / und der Jäger kühn sein Leben wagt, / wo die Sennerin frohe Jodler singt / am Gebirg, das hoch in Wolken ragt“, heißt es im „Dachsteinlied“, der offiziellen steirischen Landeshymne. Und genau an einem solchen Ort, in dem kleinen, idyllischen St. Raphael im Krakautal, wird eines Herbsttages die übel zugerichtete Leiche der hauptstädtischen Enthüllungsjournalistin Eva Kovacs gefunden. Die attraktive Frau war im Gasthof des Orts, der „Goldenen Gans“, abgestiegen und hatte die gebuchte Nacht nicht überlebt. Nackt und mit fürchterlichen Verletzungen wird die Tote am nächsten Morgen im an die Wirtschaft angrenzenden Wald entdeckt.

Es ist der Debütantenfall für das Kriminalistenduo Sandra Mohr und Sascha Bergmann. Die Abteilungsinspektorin beim Landeskriminalamt Steiermark in Graz und ihr neuer, erst vor drei Wochen aus Wien gekommener Chef haben vor den Augen des Lesers genau elf Tage Zeit, um sich zusammenzuraufen und die Rätsel um die ermordete Reporterin zu lösen. Tage, die Sandra viel Toleranz abverlangen. Denn weder vermag es der gern mit männlich-chauvinistischen Sprüchen provozierende Bergmann, seiner neuen Teamkollegin offen ins Gesicht zu schauen, noch kann es sich der Schwerenöter verkneifen, in ihrer Gegenwart berüchtigte Sexseiten im Internet aufzusuchen oder – bevorzugt blonde und deutlich jüngere – Kolleginnen mit seinem Charme zu umgarnen.

Doch die Marotten des Kollegen sind beileibe nicht Sandras einziges Problem. Vor 13 Jahren, mit 18, ist die junge Frau nämlich just aus jenem St. Raphael geflüchtet, dass jetzt zum Tatort geworden ist. Wobei sie sich schwor, nie mehr zurückzukehren. Nun wird sie Stück für Stück von ihrer Vergangenheit eingeholt. Ein Ex, inzwischen Gendarm im Dorf, entdeckt seine alten Gefühle. Eine Neuauflage mit mehr als einem blauen Auge erfährt der Hass auf die bigotte Mutter und den von ihr vollkommen verzogenen, kleinkriminellen Stiefbruder. Und schließlich könnte ja einer von all den alten Bekannten, die sie in St. Raphael wiedertrifft, auch der Mörder von Eva Kovacs sein, die, wie sich bald herausstellt, in das abgelegene Fleckchen gekommen ist, um aus einer virtuellen Chatbekanntschaft ein ganz reelles Abenteuer zu machen.

Genug Stoff für knapp 250 Buchseiten. Und Claudia Rossbacher weiß recht gut mit ihm umzugehen. Wie es die Genretradition verlangt, spielt der Roman nur allzubald mit einer Handvoll Mordmotiven, rückt mal den einen, mal den anderen Verdächtigen in den Fokus, ehe er mit einer überraschenden Schlusswendung doch noch einen Täter präsentiert, den die meisten Leserdetektive nicht auf ihrer Rechnung gehabt haben dürften. Ganz nebenbei – leider oft mit einem allzu belehrenden Unterton, der die Syntax unangenehm klappern lässt – werden Themen wie das Verhältnis von Stadt und Land, die Sensationsgier der Medien, Ärztearroganz, Tablettenwahn, Horoskopgläubigkeit und die leidige Banken-und Immobilienkrise angesprochen. In sie ist auch der Ehemann der toten Kovacs verstrickt, was ihn für eine Weile zum Hauptverdächtigen macht. Und für diejenigen, die Regionales zuallererst mit Essen und Trinken verbinden, kommen auch noch die eine oder andere Brettljause, der eine oder andere Apfelstrudel und das eine oder andere Achtel Schilcher von der weststeirischen Weinstraße auf den Tisch; von kernigen Schimpfwörtern wie „Undankbares Gfrast!“ oder „Allerletzte Geifn!“, die wir uns merken wollen für unseren nächsten Urlaub nahe der slowenischen Grenze, mal ganz abgesehen.

Titelbild

Claudia Rossbacher: Steirerblut. Kriminalroman.
Gmeiner Verlag, Meßkirch 2011.
273 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783839211366

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