Von „Verwaschlappungen“ und „Beauskunftungen“

Daniel Glattauer schreibt seit 17 Jahren Alltags-Kolumnen für die österreichische Tageszeitung „Der Standard“

Von Bernd HeinrichRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bernd Heinrich

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

dag – unter diesem Kürzel ist der österreichische Journalist Daniel Glattauer bei der nachbarländlichen Tageszeitung „Der Standard“ seit vielen Jahren für Kolumnen, Gerichtsberichte und das Feuilleton zuständig. Eher nebenher, so scheint es, schreibt er das urkomische Weihnachtsüberlebenshandbuch „Der Karpfenstreit oder Die schönsten Weihnachtskrisen“ und mit „Theo – Antworten aus dem Kinderzimmer“ einen ebenso witzigen wie herzerwärmenden Band über seinen Neffen. Seine Romane „Gut gegen Nordwind“ und „Alle sieben Wellen“ wurden in zahlreiche Sprachen übersetzte Bestseller. „Der Weihnachtshund“ wird sogar verfilmt.

In schöner Regelmäßigkeit erscheinen seine gesammelten Kolumnen, die zuvor im „Einserkastl“ auf dem „Standard“-Titelblatt veröffentlicht wurden, in Buchform: „Die Ameisenzählung“, „Die Vögel brüllen“ und „Schau ma mal“ – „Mama, jetzt nicht“ heißt die jüngste Sammlung mit 158 Kolumnen des studierten Pädagogen und Kunstgeschichtlers aus den Jahren 2004 bis 2008. Darin sinniert, philosophiert, schwadroniert der Meister der kleinen Form über die Absurditäten und Banalitäten sowie die Tücken und andere uns mehr oder weniger bewegenden wichtigen bis nichtigen Fragen unseres Erdendaseins, zum Beispiel über kollektive Angstschweißausschüttung. Blitzgescheit, wortgewandt, geistreich, messerscharf und hintersinnig-witzig schimpft der Endvierziger über „Kundenkartenterror“, schlägt einen „Weltverdauungstag“ vor, warnt vor „Stromfressern“, ist fürbass ebenso erstaunt über „Busenwunder“ wie über „Bauch-“ respektive „Bierwunder“, rätselt über eine „Ministerielle Kloteske“ und vermeldet das Vorhandensein einer „Meldestelle für Glücksmomente“.

Solchen Momenten des Glücks beiwohnen könnten Leser der Feuilletons durch die Teilhabe an der Geburt völlig neuer Wortungetüme wie beispielsweise die „Verwaschlappung“ von Jausenbroten oder falsche „Beauskunftungen“. Letztere stammten höchstwahrscheinlich von einer „Unzuständigkeitskollegin“. Die mögliche Erhörung weiterer „sprachlicher Erdenbürger“ erfährt man möglicherweise beim jährlichen Fuzo-Fest in Frankenburg am Hausruck – oder eben in ganz Österreich, wo es Fuzos – nämlich Fußgängerzonen – gibt.

„Der Slang stirbt aus“, klagt Daniel Glattauer und macht sich damit die dramatische Prognose seines einstigen Hauptschullehrers Peter R. zueigen. Das „Geseiere der lautverzehrenden Sauberbezirk-Schnösel“, klagt der einstige Kellner, setze sich „gegenüber der echten Sackbauer Mundart“ immer mehr durch. „Halt, halt!“, möchte man da den Befürchtungen des gebürtigen Wieners aus dem 10. Gemeindebezirk Favoriten beschwichtigend vom „hohen Norden“ her zurufen. Sollte ihm doch keineswegs bange sein ob der Unsterblichkeit der österreichischen Sprache. Zwischen zwei sich in der vollbesetzten, schaukelnd ruckelnden und zuckelnden Wiener Straßenbahn anrempelnden Fahrgästen entspannt sich etwa gerne einmal folgender Dialog: Fragende: „Wos iiis?!“ – Fragender: „Wos iiis?!“ – Fragende: „Wos soi sein?“ – Fragender: „Wos wüßt?“ – Fragende: „No iiis wos?“ – Fragender: „Na wos?“

Da ist es doch beruhigend zu wissen, dass Glattauer für 2012 ein neues Buch ankündigt. Es werde ein „Liebes-Psycho-Krimi“, verrät der Rotweintrinker und Besitzer von fünf Laufenten. Na dann…

Titelbild

Daniel Glattauer: Mama, jetzt nicht! Kolumnen aus dem Alltag.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2011.
176 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783552061675

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