Der Eiswürfel im Mund

Franziska Gerstenbergs erster Roman schürt große Erwartungen – Leider kann sie diese mit dem Roman „Spiel mit ihr“ nicht erfüllen.

Von Fabian ThomasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Thomas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man erwartet ein sinnliches, kontroverses Abenteuer aktuellster Machart: Reinhard, geschiedener Anwalt, lernt über eine Partnerbörse die alleinerziehende Kristine kennen und lebt mit ihr anhand von ausschweifenden Rollenspielen vorher nicht für möglich gehaltene sexuelle Fantasien aus. In der Grundanlage – zwei Menschen aus völlig verschiedenen Lebenssituationen lernen sich selbst neu kennen – wirkt das schon sehr ausgedacht, zumal Partnerbörsen im Internet nicht erst seit gestern bekannt sind. Peinlich wird es aber in bemühten Sex-Szenen: „Der Arzt steckt sich einen Eiswürfel in den Mund, er lutscht dem Würfel die Kanten weg, lutscht ihn klein, bevor er ihn seiner Bestimmung zuführt. Als der Eiswürfel in die Patientin hineingeschoben wird, in sie hineinrutscht, kann sie sich nicht mehr zurückhalten und schreit auf.“

Hier kommt eine Autorin mit ihrem Thema und den Figuren nicht richtig zurecht, als hätte sie sich zu viel vorgenommen, und versinkt stattdessen in Rollenklischees: Der unsympathisch männlich-väterliche Reinhard auf der einen Seite, Schutzbedürfnis und wenig Selbstvertrauen bei Kristine auf der anderen Seite. So bleibt auch wenig Raum für Entwicklung, ein Rollenspiel folgt auf das andere, dann, ein absurder Moment der Peripetie, als Reinhard vorschlägt, Kristines Tochter Emma in ein Lehrer-Schüler-Spiel miteinzubeziehen. Hier wird nicht nur die Charakterzeichnung überspannt, auch die Glaubwürdigkeit der Handlung leidet zusehends.

Als Nebenschauplatz führt die Erzählerin die Wohnung des Nachbarn Herr Meisner ein, einem Sonderling, zu dem Emma flüchtet. Im letzten Kapitel wird dieser als pädophiler Widerling verhaftet, während der kaum weniger widerliche Reinhard den Helden spielen darf – verkehrte Welt, das soll wohl damit gesagt werden. Verkehrtes Thema, das muss sich leider Franziska Gerstenberg zu ihrem Roman sagen lassen.

Titelbild

Franziska Gerstenberg: Spiel mit ihr. Roman.
Schöffling Verlag, Frankfurt a. M. 2012.
259 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783895613425

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