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Warum ein letzter Job eigentlich immer ans Leben geht, beantwortet Adrian McKinty in „Ein letzter Job“ final

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Antwort ist recht einfach: Der letzte Job wird immer dann gemacht, wenn es eigentlich dafür schon zu spät ist. Man ist zu alt, zu bequem oder auch nur zu moralisch geworden, um Sachen zu machen wie Geld eintreiben, Leute umlegen oder auch nur hinter ihnen her zu rennen. Irgendwann ist es einfach gut, und damit sollte man sich frühzeitig abfinden. Aber genau das nicht zu tun, ist eben die Regel (eine Art Killer-Peter-Prinzip: Wir machen eine Sache immer so lange, bis wir nicht mehr dafür geeignet sind).

Das ist für Killian – den Helden dieser Geschichte – nicht anders als für andere Killer im Krimi-Genre auch, von denen es immerhin schon einige gab. Die Frage, wann ein Killer in Pension geht, treibt mittlerweile eine Reihe von Leuten um, und ein guter Abgang ist nicht immer die Lösung, die ihnen vorschwebt. Denn, Hand aufs Herz, nicht jeder Killer ist drauf aus, sein Leben im Kugelhagel von irgendwem, Polizei oder Konkurrenz oder sonstwem zu verlieren. Auch das Killergewerbe hat so etwas wie Normalität, auch der kälteste Killer will einmal Mensch sein und sein Feierabendbierchen trinken, und es ist eine der großen Mythen des Genres, dass das für Killer nicht gilt.

Killian ist nun vierzig, was für einen seiner Zunft und seines CV ein stattliches Alter ist. Nun denkt er darüber nach, was er sonst noch mit dem Leben anfangen kann. Er macht noch ein paar Jobs, aber sie sollen nicht blutig sein. Zum Beispiel einem Spieler mit hohen Schulden nicht die Knie wegschießen, sondern das Haus abschwatzen, damit er seine Schulden bezahlen kann. Das zerstört zwar Ehen oder Karrieren, aber hilft Leute am Leben zu lassen.

Für solche unblutigen Jobs ist Killian mittlerweile bekannt, und er nimmt sie auch nur, weil die Wirtschaftskrise ihm schwer auf der Tasche liegt, seine Immobilien kriegt er jedenfalls nicht los, und so muss er weiter zur Arbeit. Da kommt das Angebot eines millionenschweren (kann auch Milliarden sein, aber macht das einen Unterschied?) Flugunternehmers gerade recht, nach der verschwundenen Ex-Ehefrau zu suchen, samt den beiden Kindern natürlich. Eine halbe Million soll dafür drin sein, viel Geld für jemanden in der Klemme (aber auch für jemanden, der nicht drin sitzt).

Killian macht sich also auf die Suche und wird auch schnell fündig, muss aber zugleich feststellen, dass ein russischer Killer ihm folgt und ihm anscheinend sogar intellektuell überlegen ist. So fängt dann das schöne Spiel junger Mann gegen alter Mann an, das auch im Krimigenre seinen Reiz hat und unter Killern nicht minder häufig gespielt wird. Gewinnen wird am Ende naheliegend der alte Mann, den wir ja mögen, weil wir ihm die ganze Zeit auf der Pelle hocken. Immerhin ist auch dieser Krimischreiber kein Unmensch, erst Leute vertraut machen und dann abservieren?

Allerdings ist durchaus offen, ob es reicht, die junge Konkurrenz niederzuhalten. Immerhin ist damit klar, dass hinter der ganzen Suchaktion mehr stecken muss als nur eine weggelaufene Ehefrau und vermisste Kinder, oder wer würde sich zwei Profis leisten, von denen der eine überaus grausame Referenzen vorzuweisen hat?

Und schon vertiefen wir uns wieder in die moralischen Abgründe des modernen Kapitalismus und der psychischen Verwerfungen, die seine wichtigsten, weil milliardenschweren Protagonisten aufweisen. Wie schon andere Krimiautoren vor ihm, kommt auch McKinty nicht darum herum, den großen Schurken und Kapitalisten auch noch mit verwerflichen sexuellen Aberrationen zu versehen. Wer also Sex mit Minderjährigen hat, muss wohl ein Unternehmer, Politiker oder wahlweise hoher Gewerkschafter oder Beamter sein, oder? Nicht? Was also stimmt hier nicht?

Immerhin hält sich Mc Kinty mit solchen Klischees insgesamt noch sehr zurück, er benötigt für seinen Plott eine alte Geschichte, die den Flugunternehmer einholen soll, und da passen frühe Verstrickungen immer ganz gut. Denn lässt man das einmal beiseite, dann ist „Ein letzter Job“ ein überaus stark geschriebener, rasant auf sein Finale zusteuernder Krimi, der höchst lesenswert ist. McKinty setzt seine erzählerischen Mittel außerordentlich konzentriert und effizient ein. Er hat nicht zuviel Sympathie mit seinem Helden und zu wenig mit dessen Gegenspielern. Protagonist und Gegenspieler sind nicht zu kompetent, um hinnehmbar zu sein (aber auch nicht zu dilettantisch, dass ihre Karriere als Killer unrealistisch wäre). Der Krimi ist nicht zu unblutig oder zu blutig. Er lässt ein wenig Sozialromantik zu, aber eben nicht zuviel. Der Wechsel des Protagonisten zu den Guten ist plausibel, auch wenn er überhaupt nicht unerwartet kommt. Es ist gerade der Umstand, dass McKinty kein wirklich neues Thema behandelt, das aber überaus gekonnt, was diesen Krimi besonders hervorstechen lässt.

Titelbild

Adrian McKinty: Ein letzter Job. Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
396 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783518463727

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