Dialektik einer Freundschaft

Bernhard Fischer und Norbert Oellers haben den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe ediert

Von Jasmin M. HlatkyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jasmin M. Hlatky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Schillerjahr 2009 bot ein vielseitiges Kulturprogramm und auch Anlass, den Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller endlich in einer historisch-kritischen Edition herauszugeben. Dazu fand im Oktober 2009 in Weimar ein Symposium statt, dessen Ergebnisse in diesem Beiheft zur „Zeitschrift für deutsche Philologie“ nun vorliegen.

Es ist ein breites Themenspektrum, das hier präsentiert wird: Umklammert nur vom faktischen Bezug des Briefwechsels werden hier die Entstehungsgeschichte der ersten Edition durch Goethe (Beiträge von Bernhard Fischer, Norbert Oellers), die Gattungsforschung (Barner), Stilistik (Stašková) sowie die diversen Briefthemen der Dioskuren behandelt. Immer wieder fällt – unabhängig vom Untersuchungsschwerpunkt des jeweiligen Beitrages – die besondere Dialektik dieser Dichterfreundschaft auf. Ob sie nun versuchten, zusammenzuarbeiten (vgl. Beiträge von Witte oder Sharpe) oder sich gegen andere verbündeten (vgl. Beitrag von Janz), immer tritt die besondere Dynamik gerade ihrer Differenzen im Detail in den Vordergrund. Noch mehr als die gemeinsamen Interessen scheinen nämlich die Meinungsunterschiede der beiden ihre Freundschaft und ihre Briefe befeuert zu haben. In ihren unterschiedlichen Auffassungen bereicherten sie einander und brachten sich auch gegenseitig voran. Geradezu exemplarisch wirken hier die lesenswerten Beiträge von Shu Ching Ho und Walter Hinderer, die sich intensiv mit Goethes und Schillers brieflicher Auseinandersetzung mit Kant und der Ästhetik ihrer Zeit beschäftigen. Es bleibt immer dasselbe Fazit: Was auf den ersten Blick harmonisch aussah, war es noch lange nicht, und wo der Leser hingegen schwere Differenzen zu erkennen glaubt, waren die Gräben gar nicht so tief. Die Freundschaft wuchs ungeachtet aller (oder gerade durch die vielen) Streitpunkte – und blieb bestehen.

Zu Recht und in jeder Form abrundend schließt ein Beitrag von Ernst Osterkamp den Band. Nachdem zuvor auf über 170 Seiten und zahllosen weiteren Publikationen stets die besondere Freundschaft der beiden Dichter betont wird, erläutert Osterkamp der Tatsache, dass die beiden Freunde selbst ihre Freundschaft nur marginal thematisiert haben. Sie bestand einfach. Und so schließen Aufsatz und Band mit dem Moment, in dem die Freundschaft zumindest irdisch endete – mit Schillers Tod.

Titelbild

Norbert Oellers / Bernhard Fischer (Hg.): Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe.
Erich Schmidt Verlag, Berlin 2011.
204 Seiten, 39,80 EUR.
ISBN-13: 9783503122554

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