Coole Frauen mit bösen Absichten

Elmore Leonard ist in „Raylan“ immer noch derselbe: knallhart, lakonisch und nicht ohne Witz

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Figur des Deputy U.S. Marshals Raylan Givens hat Elmore Leonard schon in zwei Romanen – „Pronto“ (1993, deutsch: „Jede Wette“, Goldmann 1997) und „Riding the Rap“ (1995, deutsch: „Volles Risiko“, Goldmann 1996) – sowie einer Kurzgeschichte verwendet, bevor sie in der von ihm mitproduzierten Fernsehserie „Justified“ (2010 ff. mit Timothy Olyphant als Raylan Givens) einem breiteren Publikum bekannt wurde. Vielleicht ist in diesem Zugewinn an Popularität durch ein anderes Medium auch der Grund zu suchen, warum Leonard 2011einen schlicht „Raylan“ genannten dritten Roman um diesen Helden vorgelegt hat. Schaut man bei dem nämlich ein bisschen genauer hin, merkt man schnell, dass sich in ihm wenigstens drei neue, eigentlich nur durch die Titelfigur miteinander verbundene Folgen für eine nächste „Justified“-Staffel verbergen.

Diese Bündelung der Kräfte bei einem bald 88-jährigen Autor tut allerdings der literarischen Qualität des Ganzen nicht den geringsten Abbruch. Die ist – wie immer bei Elmore Leonard –  auf einem Level ganz für sich. Es macht einfach Spaß, zu sehen, mit welcher Souveränität dieser Autor seine Plots entwickelt, wie er die Leser mitnimmt in die Köpfe seiner Figuren, bei denen es sich in der Regel nicht um Vorbilder für die heranreifende Jugend handelt, und wie brillant er seine Dialoge aufbaut.

Von den drei Geschichten, die der Roman aneinanderreiht, ist die erste die gemeinste, hinter der zweiten versteckt sich geschickt die Kritik an einer Gesellschaft, in der die Ökonomie die Ökologie aussticht, wenn die großen Gewinne locken, und die dritte und letzte lässt Raylan auf eine junge Pokerspielerin treffen, die es in puncto Coolness locker mit ihm aufnehmen kann. Überhaupt die Frauen: Bei Leonard sind sie den schurkisch-egoistischen Männern mindestens ebenbürtig. Und sie wissen besser, wo es letzten Endes langgeht – auch auf den Pfaden jenseits der Gesetze.

Es ist die Managerin einer Firma, die „Bergbau über Tage“ betreibt, welche mit Wort und Tat alles aus dem Weg räumt, was sich ihrer an den wachsenden Profit des Unternehmens gekoppelten Karriere in den Weg stellt. Es ist eine Operationsschwester, die so oft bei Nierentransplantationen assistiert hat, dass sie das blutige Handwerk inzwischen selbst beherrscht und nur noch ein paar ungebildete Trottel braucht, die ihr die Opfer erst zurechtlegen und dann entsorgen. Und es sind drei Stripperinnen, die durch Kentucky ziehen und bekifft Banken ausrauben.

Allein wie immer in den Romanen Elmore Leonards, ist es niemandem lange vergönnt, sein unrecht erworbenes Gut auch zu behalten. Ganoven treffen auf Ganoven, Betrüger werden betrogen und wenn es tatsächlich einmal so aussieht, als könne sich jemand hinter seinem Promistatus verstecken, dann ist sich der Autor auch nicht zu schade, einer fast 70-Jährigen noch eine Pumpgun in die Hand zu drücken, um für ausgleichende Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen. Für die ansonsten natürlich Raylan Givens steht – aber der kann halt auch nicht überall sein und hat zwei-, dreimal sogar arge Mühe, mit dem nackten Leben davonzukommen.

Leonards Titelheld ist mehr Westerner als Detektiv. Als Angehöriger des U.S. Marshal Service ist er für den Vollzug von Bundesrecht auf lokaler Ebene zuständig. Und das tut er, so gut er kann und ohne Zimperlichkeit beim Einsatz seiner Mittel. Weil er mit seiner Geradlinigkeit in Florida angeeckt ist, wurde er zurückgeschickt in seine Heimatstadt Harlan. Hier, wo einst die Kohle viele Familien ernährte, herrschen inzwischen Arbeitslosigkeit, Lohndumping und Gaunereien aller Art. Viel zu tun für Raylan Givens, für den am Ende sogar noch ein kleines Happyend herausspringt – und ein paar Gangster für einen Folgeroman sind auch noch übrig.

Titelbild

Elmore Leonard: Raylan. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Kirsten Riesselmann.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
308 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783518463956

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