Aus der Spur

Auch in Silvio Blatters Roman „Vier Tage im August“ ist das Vergangene nicht vergangen

Von Klaus HübnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hübner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man wird bestens unterhalten. Es handelt sich, wenn auch nur auf den ersten Blick, um einen veritablen Krimi, und von Anfang an will der Leser wissen, wie es weiter- und vor allem ausgeht. Ein spannender Text, bis zum Schluss. Man verrät noch nichts, wenn man feststellt, dass die auf vier Sommertage verteilte Geschichte raffiniert gebaut ist – der Erzähler behält stets alle Fäden in der Hand, und jeder scheinbare Umweg erweist sich am Ende als notwendig für das Ganze. Die Sprache ist ganz von heute – vollständige Sätze gibt es viele, aber auch zahlreiche abgebrochene, und es gibt knappe, prägnante Dialoge und aus nur zwei Worten bestehende Impressionen, die wie Regieanweisungen klingen und die Szenerie messerscharf beleuchten. Die Nähe zum Film ist unübersehbar. Silvio Blatter kann schreiben, das weiß man. Wie gut er das kann, beweist er hier einmal mehr.

Paul Fontana und seine Iris haben Glück gehabt. Der Unfall, der ihre Autofahrt erheblich verzögert, hat sie verschont. Wann geht es weiter? Paul drängelt zur Unfallstelle. Schlimm sieht es aus. Am Rande der Schaulustigen steht ein bulliger Mann, Leo Zimny. Paul bemerkt ihn nicht, aber Leo erkennt Paul. Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf: „Die Vergangenheit, in die Paul Fontana gehörte, hatte Leo versiegelt, und nun war das Siegel gebrochen“. Paul und Iris schaffen es an diesem Tag nur bis Genua – die Reise war anders geplant, aber schlimm ist das nicht. Richtig schlimm wird es erst am zweiten Tag. Paul wird niedergeschlagen und schwer verletzt, Iris wird ausgeraubt, das Auto ist weg. Und in Zürich, unten am See, wo Pauls Freund Ivo wohnt, liegen drei Hunde in ihrem Blut, das Büro ist verwüstet, und um ein Haar hätte Ivo auch noch auf seinen Sohn Tom geschossen. Alles gerät aus dem Ruder. Weil „früher“ nicht dasselbe ist wie „vergangen“. Mit einem wunderbaren Sinn für Timing entfaltet Silvio Blatter eine längst vergangene Geschichte, in der es um eine tiefe Demütigung und um die große Liebe geht. Sie zeigt auch, dass das Böse nicht nur das Böse ist und das Gute nicht nur das Gute. Mehr wird nicht verraten. Nur noch, dass dieser packende Krimi auch ein kritischer, die Psyche der Akteure grandios ausleuchtender Gesellschaftsroman ist, der präzise und schonungslos enthüllt, dass es unter der sogenannten Wirklichkeit gehörig brodelt. Sehr zu empfehlen.

Titelbild

Silvio Blatter: Vier Tage im August. Roman.
Buchverlage LangenMüllerHerbig, München 2013.
245 S., 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783784433165

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