Auf deutsch hießen sie „Die Türen“

Greil Marcus’ einfühlsame und begeisternde Monografie über die Musik der „Doors“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die „Doors“ waren in der Popkultur schon immer ein Problem. Zuerst hoch gelobt, dann konnte sie keiner mehr ausstehen. Dann erschien „Absolutly Live“ (1970) und alle grölten nur noch den Song mit der „Whiskey Bar“. „The End“ von den „Doors“ wurde Filmmusik und illustrierte den Vietnam-Krieg in Francis Ford Coppolas Film „Apocalypse Now“ (1979). Alle kannten etwas von den „Doors“, aber irgendwie war es auch wie bei den „Kings“, man kannte zwar die Lieder, aber niemand konnte sich den Bandnamen merken. Man hatte ein Stückchen „Doors“ in seiner Erinnerung gespeichert. Und für manche war es nur ein Typ mit ewig nackten Oberkörper in den zu engen Lederhosen. Das konnte man in Kombination mit selbstzerstörerischem Gejammer aber schon mal gar nicht ausstehen. Und so blieb irgendwo auf dieser Zeitlinie der Rezeption die Musik und der Sound dieser grandiosen Band auf der Strecke. Und ebenso war es mit dem Schreiben über die „Doors“ – es wurde auch vergessen. Man erinnert sich vor allem an den Ausspruch des Popmusik-Schreib-Meisters Diedrich Diederichsen, der Jim Morrison und die „Doors“ als eine Art „Rimbaud-Pest“ bezeichnete – und damit Mitte der Achtziger vielleicht sogar recht hatte. Denn wie immer, Bezugssysteme in der Popkultur zu definieren ist schwierig, manchmal ist Pop die Pest, manchmal das Glück. Er ist eben emotional.

Seitdem sind 30 Jahre vergangen und es ist an der Zeit, die Aversionen der 1970er- und 1980er-Jahre hinter sich zu lassen. Was bleibt von den „Doors“, was bleibt von Jim Morrison? Man kann sich immer noch in Exegesen zu der Person ergehen, kann seine Exzentrik in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen – aber man kann es auch lassen. Und dies kann man ganz gut zusammen mit Greil Marcus machen. Sein neues Buch über die „Doors“ kann eine gewinnbringende Lektüre bei der Wiederentdeckung der Musik und des originären Sounds dieser mehr als nur bemerkenswerten Band sein. Heute würden sie wahrscheinlich einen Vertrag bei einem Indie-Label bekommen, nach einiger Zeit zu einem Major wechseln und dann so vor sich hin dümpeln, da sie letztendlich zu schwierig zu handhaben wären. Aber da sie ihre produktive Zeit vor mehr als 40 Jahren hatten, darf man sich mit einem ganzen Stapel an Silberlingen und Vinyl für ein Wochenende zurückziehen. Erfreulicherweise sind in den letzen Jahren einige spektakuläre Live-Aufnahmen veröffentlicht worden, die die Lektüre nutzbringend ergänzen können. Der Auftritt am 17./18. Januar 1970 ist genau dokumentiert (Live In New York, 6-CD-Box) und die relativ frühen Aufnahmen aus San Francisco aus dem Jahre 1967, zum 65. Geburtstag von Jim Morrison veröffentlicht, sind auch zu empfehlen (Live At The Matrix 1967: San Francisco). Also Musik an, Buch aufschlagen und lesen.

Und ja, ich möchte nicht über Morrison als Intellektuellen nachdenken, nicht über seine individuellen Fähigkeiten als Sänger oder seine poetischen Kompetenzen. Wenn man hierzu etwas wissen möchte, sei der Film „When you’re strange“ (2009) empfohlen. Er beantwortet die meisten Fragen. Man hat heute die grandiose Gelegenheit, alle Spekulationen hinter sich zu lassen und unbefangen einen Kosmos zu entdecken, der jeden Flug mit dem von Musik dröhnenden Cockpit durch die neuen Musikgalaxien lohnt. Greil Marcus ist ein guter Pilot, unterhaltsam in der Lektüre, charmant im Umgang mit seinem Gegenstand und begeistert und inspiriert, wenn er über die Musik der „Doors“ schreibt. Und ganz besonders berührt es, wenn er ganz dicht am Song ist, hört, interpretiert und uns Nichtwissende aufklärt, wie etwa bei den Erläuterungen zu „Mystery Train“. So wird Marcus’ „Doors“-Buch zu einem der wenigen Popkulturbücher des Jahres, die man ohne Verdruss lesen kann, sogar eigentlich lesen muss. Und das macht in diesem Fall sogar Spaß. Und im Hintergrund läuft immer noch „The End“. Aber natürlich die Version vom März 1967, aus dem Matrix in San Francisco!

Titelbild

Greil Marcus: The Doors.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013.
256 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783462045109

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