Ein Blick in die modernen 1920er-Jahre

Über Ruth Landshoff-Yorcks unterhaltsamen Roman „Die Schatzsucher von Venedig“

Von Liliane StuderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Liliane Studer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

2001 erschien im kleinen Berliner AvivA Verlag der Roman „Die Vielen und der Eine“ von Ruth Landshoff-Yorck, herausgegeben von Walter Fähnders. Mittlerweile sind vier Romane dieser zu ihrer Zeit durchaus erfolgreichen Autorin erschienen, die es ermöglichen, ein Werk zu entdecken, das in der Zwischenkriegszeit angesiedelt ist, von einer Autorin, die ihren ersten Roman, der 1930 im Rowohlt Verlag veröffentlicht wurde, gut verkaufte und die einem breiten Publikum bekannt war, da sie für Zeitschriften wie „Die Dame“ über Mode und Autos schrieb. Ruth Landshoff-Yorck wurde 1904 in Berlin geboren als Tochter eines Ingenieurs und der Opernsängerin Else Landshoff-Levy. Sie ist die Nichte des legendären Verlegers Samuel Fischer. In den 1920er-Jahren spielte sie in Berlin eine exponierte Rolle, wie der Herausgeber Walter Fähnders in seinen ausführlichen Nachworten zu den neu aufgelegten Romanen festhält, und zwar als selbständige, künstlerisch aktive und literarisch produktive Frau. 1930 heiratete sie den Grafen David Yorck von Wartenburg, den sie als „Jungen, der einen historischen Namen trug“, bezeichnete, die Ehe wurde 1937 geschieden. Im gleichen Jahr, die Nationalsozialisten waren an die Macht gekommen, musste Ruth Landshoff-Yorck Deutschland verlassen. Sie ging nach Amerika, wo sie bis zu ihrem Tod 1966 lebte.

Der Roman „Die Schatzsucher von Venedig“ wurde zu ihren Lebzeiten nie veröffentlicht, ein Auszug erschien erstmals im Band „Ruth Landshoff-Yorck, Karl Otten, Philipp Keller und andere. Literatur zwischen Wilhelminismus und Nachkriegszeit“, herausgegeben von Gregor Ackermann, Walter Fähnders und Werner Jung. Dass der Roman für den Ullstein Verlag vorgesehen gewesen wäre, geht aus Briefen von 1932 beziehungsweise 1956 hervor: „Und 32 hat mich Korff dann gebeten fuer die berliner Illustrierte einen Roman zu schreiben, und ich schrieb Die Schatzsucher von Venedig, ein Buch das nur eine Nacht zum Inhalt hat in der sich die Schicksale der Menschen erfuellen.“ In dieser einen Nacht trifft sich in einem Palazzo in Venedig eine illustre Runde mit dem vermögenden amerikanischen Geschwisterpaar Madelin und Jack. Es geht darum, ein kostbares Schmuckstück, das versteckt wurde, ausfindig zu machen. Bald wird die Sache jedoch ernster, denn der Schmuck ist tatsächlich verschwunden, und die Spuren führen in dunkle Gassen, durch das nächtliche Venedig. Madelin, die eigentliche Hauptfigur, fühlt sich so lange sicher, bis auch sie erfährt, dass der plötzliche Ruin des Vaters sie und ihren Bruder über Nacht in Armut gestürzt hat. Obwohl es Auswege gäbe, bewahren sie sich die Freiheit: Jack geht auf das Angebot einer reichen Dame nicht ein, sondern will nach Peru, Madelin lässt Männer mit Heiratsanträgen abblitzen.

Ruth Landshoff-Yorck hat mit „Die Schatzsucher von Venedig“ nicht nur einen rasant erzählten, witzigen und unterhaltsamen Roman geschrieben, sondern ebenso einen, der sehr treffend die Zeit der Weltwirtschaftskrise beleuchtet. Alles kann verloren gehen, und darin kann eine Chance liegen. Die manchmal auch naive Amerikanerin Madelin wirft einen frischen Blick auf dieses alte Europa, den wir gerne aufnehmen. Und wir lassen uns verführen in eine Palazzo-Welt, welche die Autorin gut gekannt haben muss. Es ist ein Glück und ein großes Verdienst, dass der AvivA Verlag die literarischen Schätze von Ruth Landshoff-Yorck hervorholt und zugänglich macht.

Titelbild

Ruth Landshoff-Yorck: Die Schatzsucher von Venedig.
Heraugegeben und mit einem Nachwort von Walter Fähnders.
AvivA Verlag, Berlin 2013.
166 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783932338564

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