Irland und Südeuropa – Friedhelm Rathjen hat James Joyces „Reportagen aus der irischen Wirklichkeit“ neu übersetzt und herausgegeben

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die hier versammelten Reportagen zur Kultur, Literatur und Politik Irlands schrieb James Joyce für die Zeitung „Il Piccolo della Sera“ in Triest, wo sie in den Jahren 1907 bis 1912 gedruckt wurden. Triest war damals als bedeutendste Hafenstadt Teil der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Der „Piccolo della Sera“ fungierte als Sprachrohr der italienischen Nationalisten in Triest, und der Herausgeber der Zeitung, Roberto Prezioso, forderte Joyce auf, Artikel über Irland für das Blatt zu schreiben. Joyce, immer auf der Suche nach neuen Einnahmequellen, kam der Bitte nach und stimmte seine Themen auf die politische Ausrichtung und das Publikum der Zeitung ab, indem er die Verbindungen Irlands zu Südeuropa unterstrich (mitunter auch erfand) und die Situation der irischen Bevölkerung unter britischer Besatzung zumindest implizit mit derjenigen der italienischen Bevölkerungsmehrheit im österreichisch regierten Triest parallelisierte.

1914 unternahm Joyce erfolglos den Versuch, die Texte gesammelt in einem italienischen Verlag als Buch zu veröffentlichen. Der vorliegende Band bringt die Texte (im italienischen Original sowie in deutscher Übersetzung) in der Anordnung, die Joyce für die Buchpublikation vorgesehen hatte. Da Manuskripte als Druckvorlagen nicht zu Verfügung stehen, folgt der Abdruck den Erstdrucken in „Il Piccolo della Sera“; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden bereinigt, wohingegen Eigenheiten des Joyce`schen Italienisch – unsichere grammatische Konstruktionen, eine bisweilen eigenwillige Begrifflichkeit und ein allgemeiner Hang zu altmodischen Ungelenkheiten, die Joyce sich wohl bei der Lektüre älterer Literatur angewöhnt hatte – unangetastet bleiben.

Bei den im Paralleldruck beigegebenen deutschen Fassungen handelt es sich um Neuübersetzungen (in zwei Fällen sogar um deutsche Erstübersetzungen), die sich weitestgehend an den sprachlich-stilistischen Eigenheiten der italienischen Originaltexte orientieren. Wo sich inhaltliche Abweichungen von früheren deutschen Übersetzungen ergeben, liegt dies daran, daß diese früheren Übersetzungen auf dem Umweg über englische Fassungen, die nicht von Joyce selbst stammten, entstanden sind.

Die Ausgabe ist limitiert auf 111 numerierte und vom Übersetzer signierte Exemplare.

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Titelbild

James Joyce: Irland auf der Anklagebank. Reportagen aus der irischen Wirklichkeit.
Herausgegeben von Friedhelm Rathjen.
Übersetzt aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen.
Edition ReJOYCE, Südwesthörn 2013.
160 Seiten, 35,00 EUR.
ISBN-13: 9783000427442

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