Hoffnung am Kap

Zum Tod der Reporterin und Schriftstellerin Dorothea Razumovsky

Von Gui HermanoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gui Hermano

Am 2. Januar ist das ereignisreiche Leben der Autorin und Auslandskorrespondentin Dorothea Gräfin Razumovsky plötzlich zu Ende gegangen. Geboren wurde sie am 11. Dezember 1935 in Lich. Nach Sachbüchern über Geschichte und Politik Jugoslawiens (1978 „Titos Erbe“, 1991 „Chaos Jugoslawien“, 1999 „Der Balkan“) und Südafrikas (1987 „Frauen im Männerstaat Südafrika“, 1988 „Kinder und Gewalt in Südafrika“, 1990 „Letzte Hoffnung am Kap“) hatte sie zuletzt zwei Romane publiziert (2009 „Letzte Liebe“ und 2011 „Babuljas Glück“). Diese fanden, besonders bei Leserinnen ihrer Generation, großen Zuspruch.

Dorothea Razumovsky verbrachte viele Jahre als Auslandsreporterin in Prag, Den Haag, Belgrad, Paris und Johannesburg. Statt zuhause in ihrer Schreibstube darauf zu warten, dass die Weltgeschichte bei ihr einkehre, begab sie sich, ihrer politischen Neugier folgend, zu den Schauplätzen kommender Ereignisse und prophezeite in der Rolle der Kassandra das Ende dreier unterschiedlicher Diktaturen: der Regimes von Nowotny, Tito und Botha.

In Prag unterstützte sie vor dem „Prager Frühling“ zusammen mit ihrem Mann, dem FAZ-Korrespondenten Andreas Razumovsky, Dissidenten, bis beide wenige Tage vor Weihnachten – und vor dem Sturz Nowotnys – mit ihren drei kleinen Kindern ausgewiesen wurden. Nach erholsamen Jahren in Den Haag berichtete sie fünf Jahre lang aus Belgrad über den langsamen Verfall von Titos Alleinherrschaft. Nach vier Jahren in Paris, wo sie neben dem Buch „Titos Erbe“ Feuilletons über Kunstausstellungen im Zentrum wie über erste Unruhen von Migranten in Vororten verfasste, lebte sie sieben Jahre in Johannesburg und machte in vielen Zeitungs- und Rundfunkbeiträgen auf die Absurdität der Apartheitspolitik aufmerksam.

Einmal wurde sie mit verbundenen Augen zu einem geheimen Treffen des ANC (African National Congress) gebracht, ein andermal folgte sie der Einladung des Königs von Swaziland, der ihr seine hundert Frauen vorstellte. Als sie mit ihrem Sohn Gregor nach Lesotho, dem zweiten ‚unabhängigen’ südafrikanischen Binnenstaat, reiste, wurde nachts in ihrem Hotel geschossen. Gregor robbte auf den Flur und steckte eine leere Patronenhülse ein. Zurück in Johannesburg, hörte sie, dass sich in dieser Nacht in Lesotho ein Putsch ereignet habe. Sie übergab die Patrone, die in die Gewehrläufe der südafrikanischen Armee passte, einem für ein liberales Blatt schreibenden Kollegen, der dann enthüllte, wer den Putsch ausgeführt hatte. Hätte sie dies selbst berichtet, wäre sie ausgewiesen worden.

Die „Letzte Hoffnung am Kap“ war für Dorothea Razumovsky Nelson Mandela, der damals noch im Gefängnis in Kapstadt saß, mit seiner auf die Versöhnung zwischen „Schwarzen“ und „Weißen“ zielenden Politik. Während Mahatma Gandhi, die andere Lichtgestalt des 20. Jahrhunderts, es nicht geschafft hatte, Hindus und Moslems zu vereinen, hatte Mandela, der 1994 zum Präsidenten gewählt wurde, mit der Politik der gegenseitigen Versöhnung und Vergebung Erfolg. Dorothea Razumovsky schrieb mehrfach über ihn und erzählte einmal folgende Episode: Im Februar 1990, als Südafrika kurz vor einem Bürgerkrieg stand, wurde Mandela auf Anordnung von Präsident Frederik de Klerk aus dem Gefängnis geholt und für den Empfang beim Präsidenten mit Anzug und Schuhen ausgestattet. Als Mandela, der nach fast dreißig Jahren Haft nicht mehr gewohnt war, Schuhe zu tragen, mit offenen Schuhbändern in den Empfangssaal trat, musste ausgerechnet der Justizminister vor ihm niederknien und seine Schuhbänder zubinden.

Nach ihrer Rückkehr sagte Dorothea Razumovsky alle drei Kriege im ehemaligen Jugoslawien voraus, die die deutsche Regierung durch die übereilte Anerkennung von Staaten, in denen mehrere Völker leben, mit verursacht hat.

Anfang Dezember reiste sie ein letztes Mal in das von ihr geliebte Südafrika. Kaum war sie dort angekommen, starb Mandela, und sie konnte miterleben, wie die Verehrung für Mandela noch einmal die sich inzwischen wieder streitenden Volksgruppen vereinte. Nun ist sie ihm gefolgt.