Pop – immer noch ein Dummy-Term?

Uwe Breitenborn, Thomas Düllo und Sören Birke haben eine Anthologie zum Gravitationsfeld Pop herausgegeben

Von Kristin SteenbockRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kristin Steenbock

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

15 Jahre ist es her, dass Diedrich Diederichsen vom Pop als „Dummy-Term“ sprach. Seitdem hat sich im Diskurs vieles getan und der Transcript Verlag, in dem nun diese Pop-Anthologie erschienen ist, hat seinen Beitrag dazu geleistet. Zahlreiche Publikationen zum Thema Pop und Popkultur, mal mehr mal minder relevant, und die lesenswerte, seit 2012 erscheinende Zeitschrift „Pop. Kultur und Kritik“ beweisen dies. Mehr und mehr spitzt sich hier ein spezielleres Verständnis von Pop und Popkultur zu und mehr denn je hat es an Relevanz gewonnen. Pop ist erlaubt, nicht nur in den Cultural Studies. In der gleichnamigen Reihe ist diese Anthologie auch erschienen.

Dies ist jedoch nur die eine Seite der Medaille, wenn man will, die theoretische. Was mit diesem Sammelband ans Tageslicht tritt, ist auch die andere Seite, nicht die der Praxis, sondern die der Geldgeber. Das Buch teilt sich in drei Teile auf: 1. Produzenten, 2. Reflektoren und 3. Nutzer (wobei wider Erwarten im dritten Teil nicht Nutzer, sondern Reflektoren über Nutzer zu Wort kommen). Insbesondere im Teil der Produzenten wird deutlich, wie aktuell die Rede vom Dummy-Term Pop immer noch ist. Finanziers, Manager und Kulturpolitiker setzen da Popkultur mit Volkskultur und Popmusik mit „Querbeet“ gleich – eben das, was im Radio läuft.

Dies jedoch war auch die Intention der Herausgeber: Ein möglichst facettenreiches Bild der Popkultur zu präsentieren, das sich aus vielen beteiligten Stimmen zusammensetzt. Als wäre die Popkultur nicht an sich schon facettenreich genug. Von der Eventmanagerin über den Philosophen bis zum CDU-Abgeordneten kommen hier alle zu Wort, die etwas zum Pop beitragen möchten. Entsprechend viel Mühe und Aufwand wurde betrieben, um diese Herangehensweise zu legitimieren. Die Diskokugel auf dem Cover zum Beispiel ist ein schönes Symbol für dieses Reflexionschaos. Das beinahe philosophische Vorwort zur Metapher des Gravitationsfeldes lässt jedoch schon erahnen, dass hier jemand etwas zu entschuldigen sucht. Obendrauf legen die Herausgeber dann noch ein Poster zum Thema Pop, das wiederum ein ganz eigenes Verständnis von Popmusikgeschichte beiträgt. Vielleicht ein bisschen viel das alles.

Schade ist auch, dass jeder Beitrag ohne Einleitung abgedruckt wurde, sodass man ohne im Anhang nachzuschlagen nicht weiß, wovon und bei den Interviews mit wem eigentlich die Rede ist. Das tut aber insgesamt der Qualität einzelner Beiträge keinen Abbruch. Zu nennen sind hier unter anderem die Essays von Christoph Jacke über Popjournalismus, Jochen Bonz‘ philosophischer Beitrag über die Popkultur als quasi-universelles Medium spätmoderner Wirklichkeitsartikulationen und auch die meist qualifizierte Interviewführung Sören Birkes.

Titelbild

Thomas Düllo / Sören Birke / Uwe Breitenborn (Hg.): Gravitationsfeld Pop. Was kann Pop? Was will Popkulturwirtschaft? Konstellationen in Berlin und anderswo.
Transcript Verlag, Bielefeld 2013.
436 Seiten, 34,99 EUR.
ISBN-13: 9783837624519

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