Tot, toter als der Tod

Bernhard Aichners Thriller „Totenfrau“ und die smarteste Bestatterin der deutschen Kriminalliteratur

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bernhard Aichner hat einen beeindruckenden und sehr unterhaltsamen Thriller geschrieben. Die Geschichte beginnt etwas schräg. Die Bestatterin Blum führt das elterliche Unternehmen weiter, ist mit einem Polizisten verheiratet und hat zwei Kinder. Die Familienidylle – die im Prolog durch den Tod von Blums Eltern schon ein paar Risse bekommen hat – wird abrupt durch einen tödlichen Motorradunfall des Ehemanns unterbrochen. Zunächst sind alle von diesem Verlust schockiert. Erst Wochen später beginnt Blum über die Umstände des Todes ihres Mannes nachzudenken. Und sie findet Ungereimtheiten. Warum hat ihr Mann in einem beruhigten Wohngebiet einen Unfall? Warum konnte der in den Unfall verwickelte Rover verschwinden?

Blum beginnt Fragen zu stellen, wird aber von der Polizei und dem ehemaligen Partner ihres Mannes beruhigt und nicht ernst genommen, als sie die Möglichkeit aufzeigt, dass der Tod ihres Mannes mit seinem Beruf in Verbindung stehen könnte. Ihre einzigen Verbündeten sind ein schweigsamer Angestellter und ihr Schwiegervater, auch ehemaliger Polizist. Trotzdem bleibt sie kritisch, entdeckt Aufzeichnungen von Gesprächen ihres Mannes mit einer Frau, die angeblich fünf Jahre in einem Keller gefangen gehalten wurde. Sie recherchiert weiter, wobei ihr ihre Sozialisation als Kind eines Beerdigungsunternehmers hilfreich ist: „Seit sie sieben war, hatte sie die Toten zu versorgen. Du darfst keine Zeit verlieren, Brünhilde, der frühe Vogel fängt den Wurm. Stell dich nicht so an, Brünhilde, sie werden dich schon nicht beißen. Sei kein Mädchen, beiß die Zähne zusammen und hör auf zu weinen. […] Da war keine Zeit zu verlieren, sie sollte lernen, damit umzugehen, er verlangte Unmögliches von ihr. Blum wusch den Toten die Haare, sie rasierte sie, sie wusch Blut von ihren Körpern und half beim Anziehen. Als sie zehn war, nähte sie zum ersten Mal einen Mund zu.“

Die elterliche Härte und das gefühllose Elternhaus erlauben es Blum, in der Krisensituation zu handeln. Wie sie handelt, was sie unternimmt, um das Leben ihrer beiden Kinder zu schützen und trotzdem dem Verbrechen an ihrem Mann näher zu kommen, dem sollte man an ein paar ruhigen Leseabenden nachgehen. Das diese einen aufgewühlten Leser zurücklassen, das kann man Bernhard Aichner als Verdienst anrechnen. Eine großartige Lektüre, keine einzige langweilige Zeile und eine durchaus ungewöhnliche Geschichte!

Titelbild

Bernhard Aichner: Totenfrau. Thriller.
btb Verlag, München 2014.
448 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783442754427

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