Theater – Bühne – Raum

Das Herausgebertrio Norbert Otto Eke, Ulrike Haß und Irina Kaldrack veröffentlicht Beiträge zu Raumpraktiken im Theater

Von Vanessa RennerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Vanessa Renner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Bühne als eine im Alltag verwendete Theatermetapher ist allgegenwärtig. Jemand betritt die Bühne – sei es beim Auftritt eines bedeutenden Politikers, bei einer Preisverleihung oder einer Galaveranstaltung. Die Bühne hebt eine Person oder einen Vorgang hervor, macht auf etwas aufmerksam, zeichnet es aus. Zugleich wird der Begriff „Bühne“ häufig synonym für das Theater an sich gebraucht.

Mit der Bühne als Raum des Theaters, mit dem Entstehen von Räumen und den Erfahrungen im Raum, dem Wechselspiel zwischen Zuschauer und Akteuren, beschäftigt sich auch der von den Wissenschaftlern Norbert Otto Eke, Ulrike Haß und Irina Kaldrack herausgegebene Band „Bühne: Raumbildende Prozesse im Theater“. Er entstand aus den Vorträgen einer Tagung, die vom 14. bis 16. Juli 2011 an der Universität Paderborn in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität stattfand. Für die Publikation wurden die Vorträge nun überarbeitet und erweitert.

Die Beiträge des Bandes knüpfen an die Raumdebatten an, die in der Phänomenologie, in Philosophie und Kunsttheorie geführt wurden und werden. Ihren Ausgangspunkt haben sie in der „räumlichen Wende“, die sich in den deutschsprachigen Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaften seit Ende der 1990er- Jahre vollzog. Mit der räumlichen Wende treten Fragen nach den politischen, medialen, lebensweltlichen und ästhetischen Aspekten von Räumen beziehungsweise von Raumbildung ins Zentrum. Das bedeutet: Abschied von der Vorstellung des Raumes als Container, in dem sich Menschen und Kulturen befinden, sondern das Verständnis von Raum als Ergebnis von sozialen Beziehungen und Interaktionen von Menschen.

Ausgehend von diesem Impuls nehmen die Autoren der einzelnen Aufsätze die spezifischen Bedingungen des Theaterraumes, der Bühne, in den Blick. Zu berücksichtigen sind dabei die verschiedenen Dimensionen des Theaters als architektonischer Bau, als Ort in der Gesellschaft (sozialer Raum), als Erfahrungs- und Wahrnehmungsraum, als szenischer Raum der Aufführung sowie als fiktiver, „dramatischer“ Raum.

Unterteilt in die thematischen Kapitel „gestimmte Räume“, „entfaltete Räume“, „entgrenzte Räume“, „Räume enden“ und „Räume öffnen“ kommen Autoren aus verschiedenen künstlerischen Kontexten und wissenschaftlichen Disziplinen zu Wort. Neben Theaterwissenschaftlern sind Literatur- und Medienwissenschaftler, Beiträge aus der Philosophie und Kunstgeschichte vertreten. Choreografen, Regisseure und Bühnenbildner ergänzen den Band um Perspektiven aus der Praxis.

Bereichernd ist vor allem aber auch der Bezug zu zeitgenössischen Inszenierungen, Performances und Tanz. So veranschaulichen Beispiele aus der gegenwärtigen Theater- und Kunstwelt die theoretischen Überlegungen und machen gedankliche Konstrukte verständlich. Für Anschaulichkeit sorgt ebenso die Bebilderung des Bandes, Fotos, Grafiken und Skizzen, die interessante Einblicke liefern.

Dennoch: für Einsteiger in die Materie wird die Lektüre an der einen oder anderen Stelle womöglich mit einiger Anstrengung verbunden sein. Lohnenswert ist sie allemal.

Titelbild

Norbert Otto Eke / Ulrike Haß / Irina Kaldrack (Hg.): Bühne: Raumbildende Prozesse im Theater.
Wilhelm Fink Verlag, München 2013.
393 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783770555369

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch