Kultur verlegen als Lebenswerk

Ulf Diederichs schildert die Geschichte des Verlags Eugen Diederichs

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf dem Tisch liegt eine „Bibliographie und Buchgeschichte 1896 bis 1931“ des Eugen Diederichs Verlags, verfasst von Ulf Diederichs, dem Enkel des Verlagsgründers. Ulf Diederichs hat von 1973 bis 1988 den Verlag geleitet. In dieser Funktion – und auch mit seiner Passion für die Verlagsgeschichte des Familienunternehmens – hat er sich jahrzehntelang mit der Geschichte des Verlags beschäftigt. Dieses Wissen konnte gewinnbringend in das vorliegende Werk eingebracht werden.

Der Verlagsgründer Eugen Diederichs (1867–1930) gehörte zu den bedeutendsten Verlegern im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. 1896 gründete er seinen Verlag in Florenz, zog in die Buchhandelsmetropole Leipzig und ging 1904 mit dem Verlag nach Jena. Sein Verlagsprogramm konzentrierte sich auf kulturkritische Publikationen und auf die Werke der Klassik und der deutschen Romantik. Seine Werksausgaben von Friedrich Hölderlin und Novalis haben bis heute einen wissenschaftlichen als auch buchgeschichtlichen Wert, der kaum zu unterschätzen ist. Dass er außerdem sehr engagiert für das Werk von Friedrich Nietzsche und die Schriften der Antike eintrat, vervollständigt das Bild des umfassend gebildeten „Kulturverlegers“. Er legte damit Maßstäbe für die Edition und Herausgabe von den Klassikern der Weltliteratur ebenso, wie dies Anton Kippenberg mit seinem Insel Verlag in Leipzig tat. Darüber hinaus war Eugen Diederichs aber auch für die neuen gesellschaftlichen Bewegungen aufgeschlossen. Dies brachte ihn mit der Heimatschutzbewegung und Persönlichkeiten wie Paul Schultze-Naumburg und verschiedenen Protagonisten der rechtskonservativen Kultureliten des Kaiserreichs und der Weimarer Republik in Verbindung. Sehr anschaulich spiegeln sich diese Interessen im Programm des Diederichs Verlags wider. Vor dem Ersten Weltkrieg findet man zum Beispiel eine deutliche Zunahme der Veröffentlichungen zum Thema „Volkstumsbewegung“.

Ein wichtiger Bezugspunkt seiner Arbeit war dabei immer der Begriff der „deutschen Kultur“. Dass er damit den nationalkonservativen, völkischen und anderen nationalistischen Entwicklungen und Gruppierungen der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts nahestand, ist nicht zu übersehen. Zwar finden sich diesbezügliche Hinweise eher zurückhaltend in den kurzen Einleitungen zu den jeweiligen Verlagsjahren, zusammenfassend bieten sie trotzdem einen guten Überblick zur Verlagsgeschichte.

Der vorliegende Band ist genau das, was der Untertitel verspricht: Eine „Bibliographie und Buchgeschichte 1896 bis 1931“. Hier eine kritische Darstellung, eine Diskussion der Bedeutung des Verlages oder die ideengeschichtliche Entwicklung der Verlagsproduktion in Richtung auf völkisch-nationalkonservatives Weltbild hin zu erwarten, wäre sicherlich unangebracht. Dies ist den bekannten Veröffentlichungen von Gangolf Hübinger und Irmgard Heidler vorbehalten (Irmgard Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt (1896–1930). Wiesbaden 1998; Gangolf Hübinger (Hrsg.): Versammlungsort moderner Geister. Der Eugen-Diederichs-Verlag – Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme. München 1996). Man findet in dem Band ein komplettes und mit äußerster Sorgfalt erstelltes bibliographisches Verzeichnis der Verlagspublikationen. Hier wird eine Lücke geschlossen, die eine Vielzahl von weiteren Studien zur Verlagsgeschichte erheblich erleichtern wird.

Ulf Diederichs hat Jahrzehnte an dieser Bibliographie gearbeitet. Über der Veröffentlichung verstarb er und so wird der vorliegende Band zu einer Art von Vermächtnis. Er kann ein neues Kapitel in der Diskussion um Eugen Diederichs und seinen Verlag eröffnen, denn erstmals kann diese Diskussion auf eine solide Bibliographie zurückgreifen.

Titelbild

Ulf Diederichs: Eugen Diederichs und sein Verlag. Bibliographie und Buchgeschichte 1896 bis 1931.
Wallstein Verlag, Göttingen 2014.
416 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-13: 9783835314634

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